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Bibliotheken aus Rotterdam

Bibliotheken aus Rotterdam

Der aufsehenerregenden Bibliothek aus dem chinesischen Tianjin Binhai seid ihr sicher schon längst über den Weg gelaufen. Das Rotterdamer Architekturbüro MVRDV hat seinem Auftraggeber eine wahre Bücherkathedrale entworfen und errichtet.

Der Blickfang der Haupthalle ist ein riesiges „Auge“, das im Inneren ein Auditorium beherbergt. Die Wände der Halle nehmen die Kugelform spielerisch auf und wölben sich höhlenartig rundherum. Was dabei entsteht, ist ein atemberaubendes Schauspiel wabernder Regalreihen, gefüllt mit zahllosen Büchern.

Rund um das Auge funktionieren die Stufen zu den Regalen je nach ihrer Tiefe als watch zone, think zone oder interact zone. Das große Bibliotheksleben findet auf insgesamt fünf Etagen für das Publikum statt, die dann Lesesäle, Konferenzräume, Büros und Ähnliches umfassen. Hinzu kommen ein begehbares Dach und zwei unterirdische Geschosse, vor allem für Lagerräume. Diese Bibliothek ist jetzt schon ein Publikumsmagnet — wir sind schließlich nicht die Einzigen, die von einem Bibliotheksbesuch in China träumen.

Zwar bestehen die oberen Regalreihen aus bedruckten Aluminiumplatten, geplant jedoch hatte MVRDV das anders. Die Architekten wollten von den hinter den Regalen liegenden Räumen aus den Zugriff ermöglichen. Leider haben sich die Bauherren wegen des knappen Zeitplans anders entschieden; vielleicht wird das in der Zukunft realisiert, vielleicht nicht. MVRDV jedenfalls hofft darauf.

Mit dem Architekturbüro MVRDV holte man übrigens Leute ins Boot, die sich nicht zum ersten Mal Gedanken über eine attraktive Bibliotheksgestaltung machen. Die Rotterdamer haben eine gewisse Erfahrung. Vor rund 15 Jahren überlegten sie zum Beispiel, wie eine zentrale Bibliothek für die Region Brabant aussehen könnte. Als Konzept entstanden war damals ein Turmbau, der ein bisschen an Babel erinnert und in seiner Struktur unendlich wachsende Bücherstapel wiederspiegelte.

Rotterdams schönste Bibliothek

Im April 2012 eröffnete dann erstmals eine Bibliothek, die in Rotterdam entwickelt worden war: Die Bibliothek der Gemeinde Spijkenisse. Und die ist so nah, dass ein Besuch schon sehr viel realistischer wird, nicht wahr?

In Spijkenisse steht der so genannte Boekenberg.

Der Boekenberg bewirbt sich als größtes Bücherregal der Niederlande, aber ich glaube, da untertreiben die Leute aus Spijkenisse ganz schrecklich. Wer in dem Gebäude einfach wilde Architektenideen sieht, sieht falsch. Die Form speist sich aus den klassichen Scheunenformen der Region und im Inneren zitieren Backsteine das typische Baumaterial. Alle Regale übrigens wurden aus Recyclingmaterial hergestellt, aus alten Blumentöpfen nämlich. Auch hier holten sich der Boekenberg bewusst einen Bezug zur Region und seiner landwirtschaftlichen Bedeutung.

Auch das Glasdach hat einen Hintersinn: Der verantwortliche Architekt Winy Maas wollte einen sprichwörtlich offenen Zugang zur Literatur: Im Innenraum gelingt das durch einen 480 Meter langen Weg nach oben, der immer wieder zu verschiedenen Leseecken führt. Von außen gelingt das durch die gläserne Hülle. Maas nennt das eine „Werbung für das Lesen“.

Ein paar seltsame Regale gibt es in Spijkenisse: Sie ragen so hoch, dass man gar nicht an die Bücher herankommt. Damit jedoch tricksen die Bibliothekare beim Lagerraum: Auf solchen Regalen stehen Bücher, die in anderen Bibliotheken für den Besucher unsichtbar im Keller oder Nebenräumen verschwinden würden. Im Boekenberg kann man sie jederzeit sehen und heran kommen zumindest die Bibliothekare, wenn es nötig ist.

So modern der Boekenberg gebaut ist, so passt er sich dennoch großartig seiner Umgebung an. Das liegt daran, dass MVRDV in der direkten Umgebung einige (Wohn-)Häuser gleich mitgestaltet hat. Wieder finden sich die roten Backsteine und die klassischen Hausformen, übersetzt in eine modernisierte Fassung.

Wollt ihr den Boekenberg gerne besuchen? Nur zu. Spijkenisse ist ein Vorort von Rotterdam, der per Metro gut erreichbar ist. Vergesst nicht, reichlich Erinnerungsfotos zu machen!


alle Fotos: MVRDV
Fotografen: Ossip van Duivenbode (Bibliothek Tianjin Binhai); Daria Scagliola, Jeroen Musch (Boekenberg)

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