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Iori Fujiwara – Der Sonnenschirm des Terroristen

Iori Fujiwara – Der Sonnenschirm des Terroristen

Iori Fujiwara - Der Sonnenschirm des Terroristen

An einem sonnigen Samstagmorgen im Oktober geht in einem Park mitten in Tokyo eine Bombe hoch. Es gibt zahlreiche Tote und Verletzte. Die Polizei vermutet einen terroristischen Anschlag. Im Park genehmigt sich der abgehalfterte Barkeeper und schwere Alkoholiker Shimamura gerade den ersten Whiskey des Tages, wie immer bei schönem Wetter. Nach der Detonation geht Shimamura sofort auf die Suche nach einem kleinen Mädchen, das ihn wegen seiner zitternden Hände zuvor angesprochen hatte, und sorgt dafür, dass es ins Krankenhaus kommt. Der heroische Akt hat allerdings einen Preis: die Whiskeyflasche mit Shimamuras Fingerabdrücken bleibt im Park zurück.

Shimamura, der wegen der mutmaßlichen Beteiligung an einem Bombenanschlag im Zusammenhang mit den Studentenunruhen der 60er Jahre auf den Fahndungslisten der Polizei steht, lebt unter falschem Namen im Untergrund. Nun wird er wieder gejagt, von der Polizei und von mysteriösen Hintermännern. Ihm bleibt nur die Flucht nach vorne: Er beschließt, der Explosion im Park selbst auf den Grund zu gehen. Dabei bekommt er von unerwarteter Seite Hilfe – von einem Yakuza.

Rezension

Der Barkeeper Shimamura mag dem Alkohol verfallen sein, er mag nicht mehr der Jüngste sein, er mag nicht mehr seine früheren Boxerreflexe haben. Aber Verstand hat er beileibe genug. Nach der Explosion im Park weiß er genau, dass die Polizei ihn suchen wird. Er hat als ehemaliger Aktiver der Studentenunruhen ein Akte bei der Polizei und ein gewisser Vorfall aus der Vergangeheit lässt ihn besonders herausstechen.

Iori Fujiwara geht in seiner Story deshalb schon bald zurück in die Jahre der Studentenrevolten, die Ende der 1960er auch Japan erreicht hatten. Zu Hausbesetzern zwischen Steinewerfern und Molotow-Cocktails, Prügeleien und Barrikaden.

Der Anschlag beschert Shimamura neue Besucher in der Bar. Die Yakuza taucht auf. Und kurz darauf Toko, die Tochter seiner früheren Studentenliebe Yuko. Yuko kam bei dem Anschlag ebenfalls ums Leben und Toko will eigentlich nur den Mann kennen lernen, vom dem ihre Mutter so viel erzählte. Toko zuliebe geht Shimamura auf die Suche; er will herausfinden, warum Yuko sterben musste.

Zum anderen war Yuko Endo wieder in mein Leben getreten. Als ich das erfuhr, war sie allerdings schon tot. So nah wie gestern im Park war ich ihr seit zwanzig Jahren nicht mehr gewesen.

Während Shimamura versucht, vor der Polizei in Deckung zu gehen, geraten ein paar Zufälle mehr in sein Blickfeld. Er meint, zusammenhängende Elemente bei einigen der Opfern zu sehen. Neben Yuko kam auch der zweite Kommilitone Kuwano aus seiner Studentengruppe bei dem Anschlag ums Leben. Während seiner Zeit des Untertauchens findet er zudem eine merkwürdige Verbindung zwischen seinem Unterschlupf und der Yakuza.

Zwanzig Jahre in der Versenkung nagten an dem Barkeeper. Der Alkohol wurde zum Gesellschafter, weil Shimamura aus Angst vor der Polizei immer wieder den Job wechselte und kontaktarm blieb. Ein anspruchsarmer Mensch, der sich arrangieren kann. Eine Haltung, die er nicht aufgibt. Ein Typ, der bei seinen Kommilitonen als ultracool galt und wie ein Fels in der Brandung wirkte. Einer aber, dem das so unbewusst war, dass er seine Coolness nie absichtlich einsetzen konnte. Shimamura wirkt heute noch so, fast, als hätte ihn die Zeit im Untergrund so konserviert.

Wenn man mich vor die Wahl stellte: Tu vieles, was keinen Aufwand erfordert, oder nur eines, das viel Aufwand erfordert, entscheide ich mich für letzteres.

Dem Yakuza-Boss imponiert die direkte Art dieses Barkeepers, sodass er ihm hilft und nicht zuletzt auch das nötige Vertrauen schenkt. So einer erzählt vielleicht nicht alles, was er vorhat, aber er fällt auch niemandem in den Rücken.

Ein großartiges Buch, dem ich am Ende nur etwas weniger Kleister gewünscht hätte. Aber alles hat seinen Zweck erfüllt: Fujiwara, so geht die Entstehungslegende zu diesem Roman, habe sich mit den Erlösen aus diesem Buch von Spielschulden freikaufen können. Geholfen haben wohl auch der Edogawa Ranpo-Krimipreis und die Verfilmung.

Shimamura ist ein Mann der direkten Konfrontation. Auf einen Showdown dieser Art wird es hinauslaufen mit diesem Kriminalroman, der so sehr auch eine Geschichte von Liebe und Eifersucht, Sehnsucht und Rache wird.

Trivia: Das Cover für diesen Titel von Iori Fujiwara ist ein Holzschnitt, den Miriam Zweck zum Buch passend anfertigte. Mehr zur Titelgestaltung beim Cass Verlag im Interview mit Katja Cassing.

Bibliografische Angaben

Verlag: Cass Verlag
ISBN: 978-3-944751-15-3
Originaltitel: Teroristo no Parasoru, テロリストのパラソル
Erstveröffentlichung: 1998
Deutsche Erstveröffentlichung: 2017
Übersetzung: Katja Busson

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