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Sakyo Komatsu – Japan Sinks

Sakyo Komatsu – Japan Sinks

Was passiert in einem Land, das komplett von der Landkarte verschwinden wird? Wie gehen die Menschen damit um und können sie sich evakuieren? Wie reagiert die Welt auf Flüchtlinge in solch großen Mengen? „Japan Sinks“ befasst sich mit diesen Fragen und erzählt quasi eine moderne Atlantis-Geschichte. Eine, an der durch moderne Kommunikation die ganze Welt teilnimmt.

Die Geschichte beginnt mit Toshio Onodera, der mit seinem Tauchboot in den Japan-Graben geschickt wird. Dort ist über Nacht eine kleine Insel unter Wasser gesunken. Bemerkt wurde es nur deshalb so schnell, weil zufällig zwei Schiffe über Nacht dort geankert hatten und von der merkwürdigen Begebenheit berichten können. Forscher beginnen mit Untersuchungen und gleichzeitig nimmt die Erdbeben- und Vulkanaktivität auf Japan massiv zu.

Professor Tadokoro schließt aus den Daten, dass bald das ganze Land im Japan-Graben versinken wird. Nur ein Mensch glaubt ihm auf Anhieb. Denn dessen Instinkt verrät ihm, dass der Wissenschaftler Recht haben könnte. Er beobachtet, dass sich die Natur merkwürdig verhält – als würden Tiere und Pflanzen etwas ahnen. Aber dieser Mann hat so viel Geld und Einfluss, dass er heimlich einen „Plan D“ in Gang setzt: Die Entwicklung eines Plans für die komplette Evakuierung Japans in unterschiedliche Länder der Erde. Dieser muss in überraschend kurzer Zeit in die Realität umgesetzt werden.

The tragedy that is about to overwhelm Japan is unprecedented in history. And what is on trial now is not Japan but our own humanity.

Vorsitzender der United Nations während Verhandlungen zur Aufnahme japanischer Flüchtlinge

Viele Vulkane des Landes brechen nacheinander aus, mehrere davon unter heftigen Explosionen. Auch der Fuji wird nach über 200 Jahren Ruhe wieder aktiv. Zahlreiche starke Erdbeben zerstören Städte und Infrastrukturen und erschweren die Evakuierung. Die Küstenlinien versinken Stück für Stück unter Wasser – bis von Japan tatsächlich nichts mehr übrig ist.

Von der Verfilmung zu den Ursprüngen

Vor einiger Zeit hatte ich die Gelegenheit, auf Netflix eine japanische Miniserie zu schauen, die das Szenario dieses Untergangs durchspielte: „Japan Sinks – People of Hope“ (Originaltitel: 日本沈没ー希望のひとー). Ein kurzer Spaziergang im Internet enthüllte dann die Romanvorlage für die Serie. Ich kam zu meinem Buch also quasi durch die Hintertür. Dafür, dass gleich zehn Folgen TV-Serie daraus entstehen konnten, war das Buch allerding überraschend dünn. Ganze 184 Seiten. Und es wartete noch eine Überraschung auf mich. Denn Sakyo Komatsu schrieb neun Jahre an diesem Buch. Wie kann das bei kaum 200 Seiten sein?

Komatsu recherchierte zu Erdbeben akribisch über einen längeren Zeitraum und verwendete sein Wissen für zwei Romane, „Resurrection Day/ 復活の日“ von 1964 und eben später „Japan Sinks“. Letzteres sollte über mehrere Bände erzählt werden, wurde schlussendlich auf Wunsch des Verlegers aber auf zwei Bände gekürzt. Und hier tut die Übersetzung dem Buch möglicherweise keinen Gefallen. Denn sie besteht nur aus rund einem Drittel des Originaltexts.

„Japan Sinks“ hat mir durchaus gefallen. Auf Anhieb scheint es ja, dass es Komatsu gelingt, wesentliche Fragen so kondensiert darzustellen und vieles in kleinen Szenen zwischen den Protagonisten einzufangen. Darunter die charakteristische Art der Japanerinnen und Japaner, nach außen hin sehr gelassen und ruhig mit Katastrophen umzugehen. Ebenso die Darstellung, welche Schäden Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche anrichten. Die späteren Ereignisse in Kobe und Tohoku zeigten, dass der Autor mit seinen Schilderungen richtig lag.

Akribische Recherche und detaillierte Darstellung

Aber nun nagt die Frage, was in der Übersetzung von Michael Gallagher alles unter den Tisch fiel. Über das Original heißt es, dass es das damals eher unbekannte Genre der Science Fiction zu einem Höhenflug verhalf und die Startauflage von je 30000 Exemplaren pro Band sehr schnell ausverkauft war. Der Plot sei reich an Wendungen und durch die korrekte Darstellung der Plattentektonik und der Wärmeströmungen im Erdmantel äußerst plausibel. Das lässt sich über die Übersetzung allerdings nicht mehr sagen. Sie mag sachlich korrekt sein, aber nicht sehr detailliert wie ihr Ursprung und was Wendungen angeht, ist „Japan Sinks“ für meine Begriffe sehr geradlinig.

Klar ist, dass die TV-Verfilmung von 2021, die auf Netflix zu sehen ist (es gibt weitaus mehr als nur diese), nicht nur sehr viel ausführlicher ist – das dürfte auch für den Vergleich mit dem Original gelten. Es gibt mehr Charaktere, einige haben veränderte Aufgaben und zudem gehören persönliche Beziehungen viel stärker zum Plot. Sie greift wohl auch bewusst ein Motiv aus „Resurrection Day“ auf und setzt so zwei Werke von Komatsu zusammen. In dem früheren Roman bedroht ein durch Biotechnolgie freigesetzer Virus die Menschheit und die Rettung einer Gruppe von Menschen in der Arktis. Im Film verzögert sich die Evakuierung Japans durch eine Pilzinfektion, die möglicherweise von Umweltveränderungen durch die tektonischen Verformungen ausgelöst wurde.

Lesen oder Gucken?

In diesem Fall schlage ich Netflix-Besitzern eher das Gucken vor. Wer keinen Zugang hat (was bei mir inzwischen auch nicht mehr der Fall ist), kann die Gallagher-Übersetzung lesen, muss aber nicht. Dass so stark gekürzt wurde, finde ich in diesem Ausmaß unnötig – wie gesagt, es sollen (laut der japanischen Wikipedia) satte zwei Drittel fehlen. Mein ganz persönlicher Verdacht ist, dass vor allem geowissenschaftliche Details zur Plattentektonik und Matelkonvektion dem Rotstift zum Opfer fielen. Doch so langweilig kann der ausgelassene Teil nicht gewesen sein, wenn sich die beiden Bände zusammengenommen alleine im Veröffentlichungsjahr fast 4 Millionen Mal verkauften.

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Bibliografische Angaben

Verlag: Doomsday Classics
ISBN: 978-0-486-80292-3
Originaltitel: 日本沈没 (Nihon chinbotsu)
Erstveröffentlichung: 1973
Englische Erstveröffentlichung: 1976
Übersetzung: Michael Gallagher

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