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Jo Hedwig Teeuwisse – Fake History

Jo Hedwig Teeuwisse – Fake History

Habt ihr schon gehört, dass Hugh Hefners Großvater die Playboy-Häschen erfunden haben soll? Und dass Napoleon der Sphinx offenbar die Nase weggeschossen hat? Falls ja, müsst ihr jetzt tapfer sein: Diese Geschichten stimmen nämlich gar nicht. Die niederländische Historikerin Jo Hedwig Teeuwisse zerlegt mit Vorliebe Mythen wie diese und stellt in „Fake History“ satte 101 solcher Fehlinformationen zusammen. Jede Story ist übersichtlich unterteilt in die beiden Abschnitte „Was man Ihnen vielleicht erzählt hat“ und „Die Widerlegung“. Je nach Mythos mal mit Bild, mal ohne.

Jo Hedwig Teeuwisse - Fake History. Hartnäckige Mythen aus der Geschichte. 101 Dinge, die so nie passiert sind, aber alle für wahr halten.

Manche dieser Geschichten ließen sich sehr schnell aus der Welt schaffen. Napoleon beispielweise kam zu einer Zeit zur Welt, als die Sphinx schon lange keine Nase mehr hatte. Ein Foto, das Königin Elizabeth II. anno 1955 in Äthiopien zeigen soll, lässt sich ebenfalls schnell widerlegen. Die Queen war zum Zeitpunkt, als das Foto geschossen wurde, nachweislich ganz woanders unterwegs. Und auch die Playboy-Häschen waren schnell als „Fake History“ enttarnt: Irgendwann schnitt jemand dem „Beweisfoto“ die Quellenangabe ab — das Foto gehört in Wirklichkeit zur Kunstserie eines britischen Fotografen.

Für andere vermeintlich historische Fakten grub Teeuwisse mit Vergnügen deutlich tiefer. Das passt nicht jedem in den Kram. Die Fans von Raumschiff Enterprise jedenfalls reagierten sehr sauer auf ihre fachkundigen Erläuterungen zu einem berühmten Filmkuss aus der Serie:

Leute, ich nehme an, ihr habt das nicht gerne gehört, denn ihr habt mich auf Twitter gesperrt, aber es ist nun einmal die Wahrheit.

Hier wird Geschichte lebendig

Immerhin war Teeuwisses Job jahrelang, auch Filmemacher zu beraten, damit keine Lamas durch den falschen Film laufen (wie es in „Troja“ mit Brad Pitt passiert ist) oder die Menschen im Mittelalterfilmen keine Kartoffeln auf dem Teller haben (auch das so eine „Fake History“, die sie aufs Korn nimmt). Während Teeuwissen bei vielen Mythen nicht viel Platz braucht, nimmt sie sich für andere viel Zeit. Auf diese Weise kommen alte Wikingertraditionen zu Ehren oder die mittelalterliche Müllentsorgung (da ich kurz zuvor „Müll“ von Roman Köster gelesen hatte, erlebte ich ein kleines Déjà-vu).

Ein Aspekt der Fake History kommt dankenswerterweise nicht zu kurz. Warum entstehen solche Märchen überhaupt? Manchmal waren es harmlose Kleinigkeiten, die einer Pointe zuliebe gemischt wurden. Mal haben Leute nicht richtig recherchiert. Aber es gibt auch Varianten, auf die man wirklich aufpassen muss.

Diese hängen immer damit zusammen, dass sich eine Gesellschaft oder eine Gruppe gegenüber einer anderen sehr betont absetzen will, besser dastehen will, andere herabsetzen will. Im viktorianischen Zeitalter findet die Autorin viele Ursachen für falsche Perspektiven. Zu dieser Zeit entstand zum Beispiel das Bild, die Menschen hätten die Erde früher für eine Scheibe gehalten (stimmt gar nicht). Teeuwissen erinnert auch daran, dass gerade Zitate bewusst verdreht werden. Während der größten Welle der Corona-Pandemie konnte sie besonders viele Quatsch-Zitate ausmachen. Zusammengefasst also immer: Propaganda.

Die pflichtbewusst badende Königin

Auch ich muss mich übrigens von einer „Fake History“ trennen. Ich liebe nämlich den Spruch, die britische Königin Elizabeth I. habe sich einmal monatlich gewaschen, „egal, ob es nötig war oder nicht“. Sorgt zuverlässig für Lacher und ist mit gewissen Anpassungen auch erzieherischen Aufgaben gewachsen.

Ich werde den Spruch weiterhin sehr lieben dürfen, verfüge inzwischen aber über deutlich mehr Wissen über die Bäderkultur und die Gepflogenheiten im Haus Tudor. So viel sei verraten: Die Königin war sauberer als der Spruch suggeriert, der Spruch ist freilich auch nicht zeitgenössisch und überhaupt waren die Menschen im Mittelalter sauberer, als wir heute glauben. Den Rest könnt ihr mit viel Vergnügen selber herausfinden.

Bibliografische Angaben

Verlag: Heyne
ISBN: 978-3-453-60661-6
Originaltitel: Fake History
Erstveröffentlichung: 2023
Deutsche Erstveröffentlichung: 2023
Übersetzung: Ralf Pannowitsch

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