Fred Vargas – Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit
Fred Vargas - Es geht noch ein Zug von der Gare du Nord

Fred Vargas - Es geht noch ein Zug von der Gare du NordAuf Pariser Bürgersteigen erscheinen über Nacht mysteriöse blaue Kreidekreise, und darin stets ein verlorener oder weggeworfener Gegenstand: ein Ohrring, eine Bierdose, ein Brillenglas, ein Joghurtbecher … Keiner hat den Zeichner je gesehen, die Presse amüsiert sich, niemand nimmt die Sache ernst. Niemand, außer dem neuen Kommissar im 5. Arrondissement, Jean-Baptiste Adamsberg. Und eines Nachts geschieht, was er befürchtet hat: es liegt ein toter Mensch im Kreidekreis.

Rezension

Aus der Lektüre dieses Buches nehme ich vorrangig eines mit: Kommissar Adamsberg sollte man nicht mittendrin kennen lernen. Wer ihn erstmals treffen möchte, sollte hier anfangen. Warum? Weil ich den Eindruck habe, hier bekommt man am besten mit, warum er so ist, wie er ist und wie sein Start in Paris verlaufen ist. Wie er Kollegen verblüfft hat und seine Arbeitsweise erst einmal Gewöhnungsssache war.

In Paris stoßen zunächst seine Vorahnungen auf Verwunderung. Adamsberg ist der einzige Beamte, der den merkwürdigen blauen Kreisekreisen überhaupt eine Bedeutung zumisst. Dahinter mehr zu vermuten als bloß zwanghaftes Verhalten, gestattet sich kein Kollege – im Gegenteil, es wird als Spinnerei abgetan. Danglard kommt sich eher veräppelt vor, als Adamsberg von ihm verlangt, sich diese Kreise näher anzuschauen und gleich noch einen Fotografen mitzunehmen. Doch Adamsberg behält Recht: Die Kreise werden Ärger bereiten; eines Tages findet man einen Toten darin. Doch obwohl der Kreidemaler nun ganz Paris auf sich aufmerksam gemacht hat, ist er dennoch weiterhin unauffindbar.

Vargas erzählt parallel dazu die Geschichte von Mathilde Forestier. Die bekannte Meeresforscherin hat in ihrer Freizeit Freude daran, Menschen zu verfolgen und sie ausgiebig zu beobachten. Sie notiert, ganz die Wissenschaftlerin, Beobachtungen in ein Notizbuch. In ihrem Haus nimmt sie mit Charles Reyer und Clémence Valmont zwei Menschen auf, die ebenso wie sie Unikate sind. Irgendwann kreuzen sich die Wege von Adamsberg und Mathilde, denn sie scheint der einzige Mensch zu sein, der den geheimnisvollen Kreidezeichner zu kennen scheint. Adamsberg taucht in Mathildes Universum ein und nimmt Charles und Clémence ebenfalls unter seine Lupe.

Rasanz und Spannung sind Fehlanzeige. Aber aus gutem Grund: Die Charaktere bringen das Buch zum Leben, keineswegs glatt gebügelt, sondern mit Vorlieben und Macken, die aus dem Panoptikum zu stammen scheinen. Das ergibt einen überzeugenden und einzigartigen Stil. Während der französische Originaltitel „L’homme aux cercles bleus“ ziemlich einleuchtend ist, ergibt der rätselhafte deutsche Titel erst nach 230 Seiten einen Sinn (das Buch hatte überhaupt nur 239 Seiten – und am Ende hat der Titel zwar mit Adamsberg zu tun, nicht aber mit der eigentlichen Geschichte).

Bibliografische Angaben

Verlag: Aufbau
ISBN: 978-3746615127
Originaltitel: L´homme aux cercles bleus
Erstveröffentlichung: 1996
Deutsche Erstveröffentlichung: 1999
Übersetzung: Tobias Scheffel

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