Alex Lépic – Lacroix und die Toten vom Pont Neuf

von Bettina Schnerr
3 Minuten Lesezeit
Header: Lacroix und die Toten von Pont Neuf

Drei aufeinanderfolgende Nächte in Paris, in jeder davon stirbt ein Clochard an der Seine. Die Clochards fürchten ein paar Schutzgelderpresser. So weit wie dieses Mal aber gingen die noch nie. Die Presse jagt hingegen schnell einen Serienkiller, denn Ende der 1980er gab es so eine Mordserie schon einmal. Richten soll es bitteschön Commissaire Lacroix. Er und sein Team suchen nach Spuren, schlagen sich die Nächte an der Seine um die Ohren und trotzdem bleibt der Mörder ein Phantom.

Dieser Commissaire bekommt es ganz sicher hin: Er ist nicht nur stadtbekannt, er trägt längst den Spitznamen „Maigret“. Obgleich es ihm unangenehm sein soll, trägt er einen erklecklichen Teil dazu bei. Lacroix raucht Pfeife, trägt einen braunen Hut und gerne einen grauen Mantel.

„Eine gute Nacht. Und morgen früh möchte ich vor meinem Fenster kein Blaulicht sehen.“
„Dann ziehen Sie die Gardine zu.“

Paris hat seinen Maigret wieder

Krimis mit Lokalkolorit beliebter Reiseziele boomen und verrückterweise (gerade bei Frankreich) ausgerechnet jene von Autoren, die nicht einmal einheimisch sind. Sondern oft Deutsche mit passendem Pseudonym, die Land und Leute kennen, vielleicht dort einmal gelebt haben oder heute dort leben. Mir wären übersetzte französische Autoren lieber, aber die liefern -wenn sie für Landsleute schreiben- wahrscheinlich keine touristischen Beschreibungen ihrer Schauplätze ab. Just darüber aber verkauft sich der Krimi.

Alex Lépic gehört für mich genau in die beschriebene Kategorie: Er soll angeblich in Paris geboren und in Deutschland aufgewachsen sein. Wer hinter dem Pseudonym steckt, ist nicht in Erfahrung zu bringen; der Verlag kommentiert nur, der Autor wünsche ein „geschlossenes Pseudonym“. Bei Gian Maria Calonder verriet der Verlag ziemlich fix, mit wem er zusammen arbeitet. Nachdem „Calonder“ auf eine Idee von Verleger Daniel Kampa selbst zurück geht, würde mich das bei Lépic noch viel weniger wundern: Der Krimi ist so astrein auf den Maigret-Verlag Kampa zugeschnitten, dass ich kaum an einen Zufall glauben mag.

„Und um das Klischee vollständig zu bedienen, …“

Innerhalb der populären Frankreich-Krimis liefern Kampa und Lépic quasi die absolut bibliophile Ausgabe. Commissaire Lacroix ermittelt genau da, wo es interessant ist. Zwischen den ikonischen Haussmann-Gebäuden der Stadt, pendelnd zwischen den unzähligen Sehenswürdigkeiten. Wie gesagt, zugleich in der Variante bibliophil. Auf der Fahrt zum ersten Tatort passieren sie die Buchhandlung Shakespeare and Company; Lacroix liebt just jene Straße mit dem Hotel, in dem Sartre und Beauvoir abgestiegen waren. Die Buchausgabe selbst trägt ihren Teil bei: Eine Hardcover-Gestaltung im leichten Retrolook mit Sammlerpotenzial, der Buchschnitt rot gefärbt.

Auch sonst wimmelt das Buch von Anspielungen (und ich habe vermutlich nicht einmal alle entdeckt). Die Zeitungsjournalistin heißt Romy Schneider; Brigadier Lemaître wird von Commissaire Lacroix fälschlicherweise immer als Lemaîre angesprochen und ich glaube, ein Mitarbeiter gleichen Namens taucht bei Simenon gelegentlich auf (u.a. in der „kopflosen Leiche“). Lacroix‘ Frau wurde in Giverny geboren, jenem Ort, in dem Monet seine meisten Werke erschaffen hatte und genau am Seerosenteil hatten sich die beiden kennengelernt. Hach!

Keine technikfreien Kommissare mehr, bitte!

Das Gemenge ist zugleich Stärke und Schwäche des Buchs. Stärke, weil es wirklich atmopsphärisch und richtig gut geschrieben ist, der Autor seine Schauplätze zuverlässig entlang markanter Punkte entwickelt und ein Krankenwagen dementsprechend nicht irgendein Krankenhaus anfährt, sondern das älteste der Stadt (Details dazu bitte im Buch nachlesen). Ein „Maigret“, ob nun echt oder eine Neuauflage, kann sehr wohl in der Banlieu ermitteln, darf aber keinesfalls selbst dort wohnen. Ein „Maigret“ muss dahin, wo das Herz des alten Paris schlägt. Und seine Frau ist im Buch ebenso abwesend wie einst ihre Vorgängerin.

Schwäche, weil das dann etwas zu viel des Guten ist. Wir schreiben das Jahr 2019 und Lacroix hat kein Handy und fährt wie Maigret kein Auto. Technischen Errungenschaften gegenüber ist er eher abgeneigt (nur Blutproben erwartet er dank moderner Analytik natürlich innert Stunden). Hatte ich erwähnt, dass er vom Täter am Ende so empfangen wird:

Als ich gelesen hatte, dass der Fall Ihnen übertragen wurde, wusste ich, dass ich hier landen werde.

Trotz alledem, finde ich, bedient Alex Lépic den Sehnsuchtsort Paris mit seinem Krimi verflixt gut. Die Gestaltung tut ihr übriges. Ganz egal, ob Frankreich-Krimis eine echte Vorliebe sind oder ein guilty pleasure, das Lacroix-Debut lohnt sich. Und Maigret-Fans können durchaus prüfen, ob das Timbre getroffen ist.

Bibliografische Daten

Verlag: Kampa
ISBN: 978-3-311-12500-6
Erstveröffentlichung: 2019

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