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Gian Maria Calonder – Engadiner Abgründe

Gian Maria Calonder – Engadiner Abgründe

Gian Maria Calonder - Engadiner Abgründe

Hier ist alles neu: Der Verlag öffnete gerade erst seine Pforten. Der Protagonist hat gerade erst seine Ausbildung hinter sich. Der Autor ist erfahren, aber Krimineuling. So viel Neues macht neugierig. Nicht nur mich übrigens.

Den Werdegang des Kampa Verlags verfolgte ich, soweit möglich, via Verlagsblog, Twitter und so weiter, und wartete auf die ersten Hinweise zum Programm. In dem tauchte tatsächlich ein Krimi auf, nämlich aus dem Engadin. Vom Autoren Gian Maria Calonder aber hatte noch nie jemand was gehört. Dessen Geheimnis wurde Ende August gelüftet: Hinter Calonder steckt der Schweizer Autor Tim Krohn. Der war zuvor angestiftet worden vom Verlagsinhaber Daniel Kampa, sich zur Abwechslung an einem Krimi zu versuchen. Krohn glaubte zuerst an einen Scherz, doch probierte es aus und fand tatsächlich Gefallen daran. Der Aargauer Zeitung verriet er, dass er mit dem Todesfall als Auslöser viel schneller das „Innerste der Beteiligten“ in der Erzählung gelange, weil so eine Ausnahmesituation sorgsam verborgene Facetten des Charakters offenlege.

Soviel kann man schon sagen, ohne ein Wort über den Krimi selbst geschrieben zu haben: Verkaufsstart war am 6. September und schon vier Tage drauf notierte Krohn auf Facebook, man starte gerade mit der zweiten Auflage. Ob der Verlag nun vorsichtig kalkuliert hatte oder die Neugier auf den Titel so groß war? Egal, in beiden Fällen geht der Wunschtraum von Autor und Verlag in Erfüllung.

Quereinsteiger bei der Polizei

Calonders Polizist Massimo Capaul kommt frisch von der Ausbildung aus Amriswil. Dort steht die Polizeischule Ostschweiz, die für sechs Kantone ausbildet. Capaul arbeitete zuvor in einem Sterbehospiz und nach dem Umsatteln wird der kleine Ort Samedan sein erster Einsatzort. Von 430 m.ü.M auf 1700 m.ü.M, das gibt Kopfschmerzen. Dazu kommen ein Wetterumschwung, die magere Parkplatzsituation und ein mickriges Zimmer. Obendrauf der unbedingte Wille, als Neuling nicht gleich zu Beginn schlecht aufzufallen, sondern möglichst alles richtig zu machen. Capaul hat noch nicht einmal den Dienstausweis, da wird er schon eingespannt und soll den Rapport über einen kleinen Brand in einer Scheune schreiben. Er macht das, was alle an dieser Stelle tun würden, er legt eifrig los, stellt Fragen und testet im Kopf schon einmal die Formulierungen für den Rapport.

Capaul trifft auf Rainer Pinggera, einen alten misstrauischen Kauz. Der ist vielleicht tatterig und einiges andere, Calonder traut den Beteuerungen des Alten trotzdem, er selbst hätte den Brand ganz sicher nicht durch Schusseligkeit verursacht. Da mag der Dienstausweis noch fehlen und die Übermotivation des Berufsanfängers im vollen Galopp daherkommen, an dem Brand ist was faul, sagt sich Calonder. Vor allem, nachdem der alte Pinggera kurz darauf stirbt.

Verloren ohne Netzwerk

Die Zugezogenen haben’s nicht leicht. Man merkt als Leser schnell, wer hier an den Strippen zieht. Das lokale Aushängeschild ist ein großspuriger Ex-Skirennfahrer, der sein Publikum gerne in St. Moritz sucht und findet. Dass von seiner Olympiamedaille immer nur geredet wird, er sie aber nie hatte, spielt keine Rolle. Dem Pinggera Junior widerspricht man nicht.

Demut, Capaul. Demut macht den Unterschied zwischen Siegern und Verlierern. Demut seiner Aufgabe gegenüber. Ich weiß nicht, was das für einen Polizisten bedeutet, aber Sie sollten darüber nachdenken.

Capaul und Pinggera kreuzen ihre Klingen öfter, während Capauls eigentliche Sorge der fehlende Waschsalon ist. Das entwickelt sich so zum Running Gag, dass der Polizist mit der dreckigen Wäsche sogar überlegt, in der leeren Wohnung des Toten zu waschen. Hauptsache, endlich wieder saubere Hemden, wo der Hausschlüssel liegt, weiß im Dorf vermutlich ohnehin jeder.

Von Capaul würde ich ganz sicher gerne mehr lesen, solange dieses elende „verschroben“ in den Werbetexten verschwindet, was heutzutage jeden Ermittler etikettiert, egal, ob er es ist oder nicht. Das nervt. Man überlasse die Feder wieder dem guten Herrn Calonder, der Capauls Rapport am Ende bravurös gerade rückt.

Bibliografische Angaben

Verlag: Kampa
ISBN: 978-3-311-12003-2
Erstveröffentlichung: 2018

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