Keigo Higashino war für mich bisher immer ein Garant für Spannungstitel, die mich bis zur letzten Seite nicht losließen. Bücher der Sorte, die ich keinesfalls aus der Hand geben möchte. Noch eine Seite, und noch eine, ach, das Kapitel lese ich noch fix fertig, und das nächste fange ich eben auch noch an … Um diese Qualitäten war ich bei Unschuldige Täter besonders dankbar, denn der Schweizer Shutdown hatte meine Leselust für einige Zeit recht gedämpft. Higashino hat’s wahrhaftig wieder rausgerissen.
Der aktuelle Krimi führt uns raus aus Tokyo an die malerische Küste von Harigaura. Dort wird der Gast einer privaten Pension tot auf den Klippen gefunden und die lokale Polizei geht von einem Unfall aus. Allerdings ist in genau diesem Küstenort gerade Physikprofessor Yukawa zu Besuch. Der findet die Unfalltheorie gar nicht plausibel. Dass die Polizei allerdings umdenkt, passiert erst nach einem kleinen Zufall.
Rettung aus der Leseflaute
Im Gegensatz zu Heilige Mörderin oder Malice (dt: Böse Absichten) weiß man in diesem Fall nicht von Beginn an, wer der Täter ist. Unschuldige Täter ist ein ganz klassischer Whodunit. Stück für Stück packt Higashino kleine Informationsschnipsel aus, während die Geschichte weiterläuft. Nur zusammensetzen lassen sie sich einfach nicht. Dafür muss man wirklich geduldig auf die Auflösung warten.
Parallel zu Yukawa in Harigaura ermittelt Kommissar Kusanagi in Tokyo, denn eine mögliche Spur könnte, wie so oft, in der Vergangenheit des Toten liegen. Doch egal, wie nett Yukawa Andeutungen macht oder Kusanagi nachforscht: Was wirklich passiert ist, bleibt im Dunkeln und selbst, als sich eine vermeintliche Lösung zeigt, gibt es noch Hintertürchen.
Was dem Buch noch eine besondere Komponente gibt, ist der kleine Kyohei. Physikprofessor Yukawa freundet sich mit dem Buben an, der ihm zunächst im Zug nach Harigaura begegnet und sich dann als Neffe seines Pensionswirtes herausstellt. Kyohei, der im „uncoolen“ Harigaura Ferien bei Onkel und Tante machen muss, findet in Yukawa jemanden, der ihm bei den Hausaufgaben über die Ferien hilft, ein paar Experimente mit ihm macht und -sofern er nicht an der Konferenz teilnimmt- für viele Fragen einfach da ist. Mit einigen seiner kleinen Experimente hilft der Junge Yukawa sogar bei dessen Ermittlungen. Eine dritte und sehr sympathische Hauptfigur, wenn ich das so sagen darf.
„Es hat mich nicht genervt, es hat meine Neugier gereizt. Und es ist eine Sünde, seine Neugier unbefriedigt zu lassen. Neugier ist die stärkste Antriebskraft des Menschen. Eine Energiequelle ohnegleichen.“
Kyohei nickte und fragte sich, warum der Professor immer so geschwollen reden musste.
Bibliografische Angaben
Verlag: Tropen
ISBN: 978-3-608-50413-2
Originaltitel: Manatsu no hoteishiki / 真夏の方程式
Erstveröffentlichung: 2011
Deutsche Erstveröffentlichung: 2020
Übersetzung: Ursula Gräfe
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2 Kommentare
Hallo,
von Keigo Higashino will ich seit Ewigkeiten mal wieder was lesen (bisher habe ich nur „Unter der Mitternachtssonne gelesen), und dann grätscht mir doch wieder ein anderes Buch dazwischen…
Aber das hier klingt auch wieder richtig gut! Ich muss mal gucken, ob ich mir nicht im Juli mal eines der Bücher von Higashino aus der Onleihe ausleihen und lesen kann.
LG,
Mikka
Das klingt nach einem vernünftigen Plan!
Ich habe es neben „Böse Absichten“ und „Ich habe ihn getötet“ sehr gemocht.