Lena Blaudez – Spiegelreflex

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit
Lena Blaudez - Spiegelreflex

Lena Blaudez - SpiegelreflexAda Simon ist Fotoreporterin. Afrika ist ihre zweite Heimat. In Cotonou, der größten Stadt im Benin, scheint alles so zu sein wie immer. Doch nachdem Adas bester Freund, der Politiker Patrick, vor ihren Augen ermordet wird, verwandelt sich ihr Alltag zusehends in einen Alptraum. Immer tiefer verstrickt sich Ada in die afrikanische Realität und die kalte Realpolitik, bei der sich alles um fette Kredite aus Brüssel und die Gier nach Schürfrechten dreht. Bald weiß sie nicht mehr, wem sie trauen kann. Wider Willen wird Ada zum Spielball entgegengesetzter Interessen. Schließlich versucht sie in einem Akt der Verzweiflung der tödlichen Gefahr zuentrinnen.

Rezension

Was für ein übler Start für Ada Simon im Benin: Schon die Anfahrt vom Flughafen auf Cotonou gerät beinahe zu einem Fiasko, aus der sie nur ihre weiße Haut und eine mutige Reaktion retten. Kaum davon erholt, muss sie den Tod ihres guten Freundes Patrick miterleben. Zwar bleibt sie verschont, aber die Dienstreise, wegen der sie eigentlich gekommen ist, bereitet sie mit Bauschschmerzen vor. Der Tod wird nicht sonderlich engagiert verfolgt und auch Patricks Schwester Elise zeigt sich trotz ihrer Trauer lieber verschwiegen. Selbst die Auftraggeber für ihre Fotoreportagen mahnen Ada dazu, im Tagesgeschäft fortzufahren. Also versucht sie, ihre Tätigkeit normal wieder aufzunehmen, doch irgendwer klebt an ihren Fersen. Egal, wohin sie fährt, alleine ist sie nie und während einer Fahrt zu einem Dorf wird sogar ein Anschlag auf sie verübt.

Mit Ada Simon steht eine hervorragende Reiseführerin zur Seite. Das Besondere ist freilich, dass sie sich einerseits auf afrikanischem Terrain sehr gut auskennt, doch andererseits als Weiße immer eine auffällige Gestalt bleiben wird. Mit dieser Ambivalenz kriegt sie es hin, dem Leser gleichzeitig das Land vorzustellen und seine Fremdartigkeit plastischer zu machen. Einfach, weil ihre Schilderungen immer wieder zeigen, dass sie genau weiß, dass sie zum Beispiel bestimmte Fakten nie erfahren wird oder zu bestimmten Menschen kaum Zugang finden wird. Doch Ada ist offen und neugierig, sodass sie irgendwann auch mit dem allgegenwärtigen Vodou Bekanntschaft machen wird.

Ich schätze es auch immer sehr, wenn von den Einflüssen westlicher Geschäfte berichtet wird. Da sind die großen Projekte, die die geldsüchtigen Mächtigen zwecks Geldvermehrung anlocken und die unabhängig vom realen Nutzen in die Wege geleitet werden. Da gibt es kleine Kreditgaben, die langsam aber sicher eine sinnvolle Wirtschaft nachhaltig aufbauen helfen. Und da gibt es internationale Spendenorganisationen, die sich nach der Anlieferung einer an sich hilfreichen Maschine verabschieden und die nie soweit denken würden, dass eines Tages Ersatzteile oder Reparaturen nötig sein könnten.

Streng genommen ist ‚Spiegelreflex‘ kein Krimi im klassischen Sinn. Um die Ermittlungen im Mordfall Patrick geht es nicht wirklich. Ada gerät schlicht wegen ihrer Bekanntschaft mit dem unbequemen Politiker ins Fadenkreuz der Hintermänner und diese wollen sich absichern: Was weiß Ada und besitzt sie womöglich brisante Unterlagen? Deshalb wird Adas Reportagereise gefährlich und das Buch dreht sich vorrangig darum, wie die zunächst ahnungslose Ada langsam aber sicher mit ihren Beobachtungen und Fragen die richtigen Schlüsse zieht – vor allem, um ihre eigenen Haut zu retten.

Ich kann ‚Spiegelreflex‘ nur empfehlen, weil ich die Kombination aus Landeskunde und „Fall“ sehr gut gemacht fand. Ada hat für meine Begriffe etwas getan, was vermutlich viele Menschen erleben: Sie sind auf sich selbst gestellt, wenn sie überleben wollen, denn wer größeren finanziellen Zielen im Weg ist, lebt womöglich nicht mehr lange. Die Polizei hat im Benin vermutlich schon was zu tun, aber nicht unbedingt immer das, was man vermutet, erwartet oder erhofft.

Bibliografische Angaben

Verlag: Unionsverlag
ISBN: 978-3-293-20375-4
Erstveröffentlichung: 2005

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