Martin Walker – Hotel Schräg

von Bettina Schnerr
3 Minuten Lesezeit
Header: Martin Walker - Hotel Schräg

Das kleine Hotel steht im Bergdorf St. Meinart und ist inzwischen seit vier Generationen in Familienbesitz. Einst ein beliebter Künstlertreffpunkt, dümpelt es inzwischen vor sich hin. Hier kommen keine Größen mehr her, wie einst Picasso oder Malewitsch. Nun reserviert ein Pärchen, der junge Kunsthistoriker Benoît Flucks mit seiner Freundin Lola. Flucks hofft, hier bisher unbekannte Fotografien des Künstlers zu finden. Sie bekommen Zimmer Nullfünf, „ein Zimmer mit Geschichte“, perfekte Ausgangslage für Benoît und seine Forschungen zum Fotografen Valéry Valse, der in St. Meinart gewirkt hat. Von Valse gibt es kaum bekannte Werke. Natürlich hängt just im Hotel eines herum und Hotelier Alain Schräg weiß sehr genau, welches. Doch sieht Lola einem von Valses Modellen verblüffend ähnlich, und er hat eine Idee.

Man traut es dem kleinen Dörfchen St. Meinart kaum zu, aber hier gastierte so ziemlich jede Kunstströmung, jede gesellschaftliche Welle schwappte durch das Hotel. Während Benoît nach Spuren von Valse sucht, freunden sich Alain und Lola an. Alain erzählt und erzählt, wer so alles schon im Slant residierte, was das Hotel so alles an Spleens gesehen hat. Natürlich hat Alain auch Geschichten über eigene Abenteuer auf Lager und in Lola eine neugierige Zuhörerin gefunden.

Das Slant House, so kann man sagen, ist seit 1892, seit seiner Geburt, am Delirieren, mal aus Selbstüberschätzung, mal aus übermäßigem Drogenkonsum und Genusssucht, mal aus Melancholie und zwischendurch auch aus Bitterkeit und Todessehnsucht, aus Langeweile ebenso wie aus Boshaftigkeit und Einsamkeit. Das Slant ist das Leben. Wenn es ein Schiff wäre, würden Freibeuter darauf segeln, Piraten, die keine Beute machen.

Heute ist das Slant bei Weitem nicht mehr das, was es einst war, ein Hotel, das es sogar in einen englischen Alpenführer als „Accomodation“ geschafft hat. Umso mehr leben Alain und sein Vater Emil in Geschichten auf. So unbefangen erzählt und so sympathisch, dass man den beiden schrägen Herren auf dem Leim geht. Oder auch nicht. Es könnte alles so gewesen sein. Oder auch nicht. Durch’s Haus weht ein schräger Charme, aber unwiderstehlich.

Auf ungewöhnliche Art und Weise erhält sich das Hotel einen eigenen Kosmos. Im Lauf der Geschichte entpuppt er sich als Magnet: Wer einmal mit dem Hotel und seinen Betreibern guten Kontakt hatte, kommt aus diesem Kosmos nicht mehr heraus. Alle Wege führen wieder zu ihm zurück, selbst in seiner kleinen Dépendance in Paris. Vielleicht findet es Lola sogar eines Tages heraus.

Es ist große Erzählkunst in kleinem Rahmen, was auf der rot-weiß karierten Tischdecke aufgetischt wird. Ein Kaleidoskop. Aber nicht nur, weil es so herrlich bunt erzählt ist. Sondern auch, weil viele der bunten Teile eben immer wieder in neuer Optik, neu zusammen gewürfelt auftauchen.

Bibliografische Angaben

Verlag: Dörlemann
ISBN: 978-3-038-20022-2
Erstveröffentlichung: 2015

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Buchkunst

Martin Walker - Hotel Schräg

In „Hotel Schräg“ geht es oft um Kunst. Fotografien, Skulpturen im Dorf, eine Galerie in Paris, Origami.

„Und was machst du, wenn du etwas zu tun hast?“
„Origami.“
„Du faltest Papier?“
„Ich gebe ihm die Dimension, die ihm gebührt.“
„Pardon! Davon lebst du?“
„Davon lebt das Papier.“

Eine große Rolle spielt zunächst die Tulpe, später eine ganze Reihe von Kamelen. Eine so große Rolle, dass Martin Walker so ein Kamel selbst fehlerfrei falten kann. Wer es nachmachen will, findet im Netz viele Anleitungen. Mit der Anleitung vom Bastelparadies kommt genaus das Kamel raus (OK, Dromedar, um genau zu sein), das auch Walker beherrscht. Das Dromekameldar macht sich übrigens hervorragend als Lesezeichen, auch, wenn beim Dörlemann Verlag das Buch mit dem Tischtuch als Cover von einem grünen Lesebändchen begleitet wird.

Und damit löse ich auch mein kleines Instagram-Rätsel vom 28. Juli auf — man kann zum Falten natürlich Kamelfarben benutzen, aber das ist freilich langweilig 😉

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