Man kann ganz sicher nicht sagen, dass der MI5 Luschen anstellen würde. In den britischen Geheimdienst kommen eigentlich nur schlaue und gewitzte Leute. Doch wenn den Talenten trotz aller Auswahlverfahren böse Patzer unterlaufen, scheiden sie sicherheitshalber aus dem aktiven Dienst aus. Da der MI5 seine ehemalige Spitzenauswahl lieber nicht direkt auf die Straße setzt, lässt man sie in einer Sonderabteilung verschwinden. Die „Slow Horses“ hocken im alten „Slough House“ fernab der Zentrale. An veralteten Rechnern verzweifeln sie über fisseligen Arbeiten mit Daten, Daten und nochmals Daten.
Trotzdem wird ausgerechnet eine Mitarbeiterin von dort, Catherine Standish, Ziel einer Entführung. Zwar ist sie die Assistentin des Chefs Jackson Lamb, doch angesichts der Bedeutungslosigkeit von Slough House sollte eigentlich kein Horse für irgendwen interessant sein. Im Haus bricht Unruhe aus. Lamb streckt seine Fühler aus und ein Mitarbeiter geht ungefragt eigene Wege.
Kompetenzgerangel und Intrigen
Letztlich, so viel darf gesagt werden, sind Lambs Leute wieder einmal die Leidtragenden, wenn die großen Köpfe des MI5 um ihre Positionen kämpfen — Innenminister inklusive. Das war in Slow Horses so und in Dead Lions nicht anders. Dieses Mal hat jemand gezielt „Real Tigers“ angeheuert, um einen Angriff zu inszenieren. Freilich gerät das Ganze aus dem Ruder. Jackson Lamb allerdings spielt seine Gegener in der Führungsriege mit seiner Raffinesse letztlich immer noch an die Wand.
Wie die meisten Varianten des Verderbens begann auch diese mit Männern in Anzügen.
Was Mick Herron über die Interna des Geheimdienstes erzählt, ist eigentlich beängstigend. Vor allem, wenn man unter den feinen und bösen Humor von Herron schaut. Kratzt man den Lack von der Oberfläche, funktioniert der Laden wie jedes andere Unternehmen auch. Kindergarten, Butterneid und Eifersüchteleien. Mit dramatischeren Konsequenzen jedoch, wenn etwas in die Hose geht.
Die Serie wird maßgeblich von Herrons ironischem Stil und seinen raffinierten Winkelzügen getragen. Ausgerechnet Jackson Lamb, der der Serie den Namen gab, taugt nicht so sehr zum Sympathieträger. Unverschämt und übergriffig, ständig furzend und wortkarg. Lediglich seine genialen grauen Zellen bewahren ihn davor, zur literarischen persona non grata zu werden. Das Team zumindest zum Großteil in Ordnung, aber eben kein Team. Unsympath Lamb jedoch kennt seine Pappenheimer und weiß, wie er seine „lahmen Gäule“ gegen die „Real Tigers“ effektiv zum Einsatz bringen kann.
Allerdings rückt auch dieses Buch nicht mit den Details darüber raus, mit welchen Informationen Lamb die MI5-Oberen in Schach halten kann. Definitiv ein äußerst wirksamer Cliffhanger.
Er hat King’s Cross lahmgelegt, wie mir zu Ohren gekommen ist. Zur Hauptverkehrszeit. Damit ist ja wohl eine Grenze überschritten. Die Verkehrsinfrastruktur zu zerstören ist Aufgabe des Bürgermeisters.
So, und jetzt nehmen wir alle Romane aus dem Regal, legen sie nebeneinander auf den Tisch und schauen, was uns auffällt:
Bibliografische Angaben
Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-30080-2
Originaltitel: Real Tigers
Erstveröffentlichung: 2017
Deutsche Erstveröffentlichung: 2020
Übersetzung: Stefanie Schäfer
Slough House – Die Serie
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