Intermezzo XV

von Bettina Schnerr
3 Minuten Lesezeit
Intermezzo XIV mit Titeln von Agatha Christie, Mick Herron und Barry Lancet

Mick Herron – Dead Lions

Das MI5 in London hat eine sehr spezielle Spezialeinheit: Wer im Dienst versagt, aber nicht rausgeworfen werden kann, landet im Slough House unter der Leitung von Jackson Lamb. Die Slow Horses, die lahmen Gäule, arbeiten mit veralteter Technik an nervigen Routinejobs. Ausnahmen gibt es dann, wenn man im Fall eines Desasters einen Schuldigen braucht, auf den’s nicht so ankommt. Wie bei dem russischen Oligarchen, der sich mit dem MI5 treffen will. Doch die Slow Horses sind zwar auf dem Abstellgleis, aber nicht auf den Kopf gefallen. Agenten sind sie geblieben und so kommt ihnen das ein oder andere beim Oligarchenbesuch doch komisch vor.

Etwa zur selbsen Zeit wird ein ehemaliger Agent aus dem Kalten Krieg tot aufgefunden. Lamb glaubt nicht an Zufälle; für ihn riecht das, als würde man Dead Lions reaktivieren, russische Schläfer. Er forscht selbst, lässt Mitarbeiter herumfragen, einen anderen Datenbanken hacken. Und siehe da, Lamb findet einen „losen Faden“ und lässt nicht mehr locker.

Eigentlich kann man sich kaum vorstellen, dass es die Slow Horses unter dem boshaften Lamb und mit so wenig Kollegialität tatsächlich aushalten. Aber irgendwie funktioniert der Laden mit stoischer Gelassenheit, britischem Humor und letztlich eben doch den Geistesblitzen an den richtigen Stellen. Den genial verschachtelten Schachzügen zu folgen und eigene Mutmaßungen anzustellen, gelingt mir in Herrons Spionageromanen allerdings auch in der zweiten Auflage nicht. Ich rate noch zu viel in der falschen Richtung und brauche etwas mehr Übung (das heißt soviel wie: Band 3).

Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-07046-0
Originaltitel: Dead Lions
Erstveröffentlichung: 2015
Deutsche Erstveröffentlichung: 2019
Übersetzung: Stefanie Schäfer

Barry Lancet – Tokio Kill

Barry Lancet - Tokio Kill

Jim Brodie, der vor wenigen Wochen erst Japantown überstanden hat, rutscht schon ins nächste Problem. Kriegsveteran Miura fürchtet, chinesische Triaden seien hinter ihm und den Überlebenden seiner damaligen Einheit her. Er bittet schlicht um Schutz. Das geht zumindest halbwegs gut, bis Miuras Sohn tot aufgefunden wird. Auch das sieht zwar nach Triaden aus und passt trotzdem nicht ganz ins Bild. Zeitgleich mischen Gerüchte über chinesische Kunstwerke die Sammlerwelt auf. Brodie stochert bei seiner Suche nach Miuras Verfolgern also zusätzlich im Kunstmarkt herum und fragt sich, ob es nicht auch ganz andere Gründe für die Morde geben könnte als die grausamen japanischen Überfälle der 1940er Jahre.

Jim Brodie arbeitete in den USA eigentlich als Experte für asiatische Kunst, erbte vom Vater jedoch dessen Detektei in Tokyo. In der Funktion als Detektiv ist er familiär bedingt nicht komplett ahnungslos, aber eben auch nicht so kompetent, dass er sich in ein Problem mit chinesischen Triaden einmischen müsste. Die altgedienten Mitarbeiter raten ihm folglich auch sehr dringend ab. Doch nach dem Tod von Miura Junior plagen Brodie Gewissensbisse und obendrein klemmt sich jemand an ihn und seine kleine Tochter. Da ist Gegenwehr gefragt, egal, ob es Triaden sind oder nicht.

Lancet arbeitet in seinen Thrillern hart an der Kante des Glaubwürdigen und kratzt gerne auf der anderen Seite, was mir aber irgendwie das Genre insgesamt zu charakterisieren scheint. Brodie ist ein gut ausgebildeter Kampfsportler, der seine Fähigkeiten früher auf der Straße gebraucht hatte. Das hilft ihm bei den Angriffen der Mörder, die es naturgemäß mit den feinen Regeln eines Dojo nicht so genau nehmen. Und so lese ich gleichermaßen mit Kopfschütteln aber auch mit Begeisterung, wenn sich Brodie ohne sinnvolle Waffe tatsächlich gegen einen Kämpfer mit scharf geschliffenem Katana durchsetzen kann.

Bekanntermaßen hab‘ ich es ja nicht so mit dicken Büchern. Für Barry Lancet aber mache ich absolut jede Ausnahme. Da ist die Spannung und die Rasanz auf der einen Seite, die Erklärungen zu japanischer Kultur und Geschichte auf der anderen. Für mich eine runde Mischung.

Verlag: Heyne
ISBN: 978-3-453-43781-4
Originaltitel: Tokyo Kill
Erstveröffentlichung: 2014
Deutsche Erstveröffentlichung: 2015
Übersetzung: Ulrike Clewing

Agatha Christie – Blausäure

Agatha Christie - Blausäure

Noch einmal zurück nach England, zu den Schwestern Rosemary und Iris. Am Tag ihrer Geburtstagsfeier starb Rosemary an einem vergifteten Glas Champagner und damals gingen alle von einem Selbstmord aus. Ihr Mann George allerdings zweifelt inzwischen daran. Iris und George versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen.

Will man mal keinen Hercule Poirot haben und keine Miss Marple, dann ist dieses Buch eine Alternative. Der kluge Kopf der Story ist Colonel Race, ein ehemaliger Geheimdienstler, den Christie in insgesamt vier Büchern auftauchen ließ. Hier kommt er ins Spiel, als es einen zweiten Todesfall mit Blausäure gibt. Damit ist ziemlich klar, dass George mit seiner Vermutung wohl richtig lag. Die Verdächtigen sind dieselben wie bei Rosemarys Tod und so manch einer davon benimmt sich noch merkwürdiger als zuvor.

Die Geschichte liefert vieles, was man von anderen klassischen Krimis von Agatha Christie kennt. Ein Marsch durch die Gesellschaftsschichten, eine mögliche Liebelei, reiche junge Erbinnen, pflichtbewusste Assistentinnen und ominöse Verwandte. Im Vergleich zu den anderen beiden Titeln also deutlich weniger Action, aber genau deswegen liest man Christie ja auch. Ein wunderbarer Whodunit, der verdeutlicht, wie wichtig Perspektivwechsel sein können.

Verlag: Atlantik
ISBN: 978-3-455-00326-0
Originaltitel: Sparkling Cyanide (GB) / Remembered Death (USA)
Erstveröffentlichung: 1945
Deutsche Erstveröffentlichung: 1949
Übersetzung: Regula Venske

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