Mick Herron – Joe Country

von Bettina Schnerr
4 Minuten Lesezeit
Header: Joe Country

„Wenn man die Leichen fand, würde es natürlich Aufruhr geben …“ Vor allem dann, wenn man bereits auf der zweiten Seite begreift, dass diese Leichen aus dem Team von Jackson Lamb stammen dürften. Denn nach überstandenen fünf Folgen mit diesem Team besteht definitiv eine gewisse Zuneigung zu den „Slow Horses“ aus dem Stall des MI5. Was umgehend eine gewisse Unruhe nach sich zieht: Hoffentlich ist nicht der oder die dabei …! Oder dieser Charakter? Nein, der bitte auch nicht. Mick Herron platziert wahrlich keinen gemächlichen Einstieg. Das verschneite Wales und seine kleinen Dörfer bieten in diesen Tagen kein Idyll. Dafür sind einfach zu viele Agenten vor Ort.

Der Ärger beginnt auf einer Beerdigung, auf der sich River Cartwright von seinem Großvater verabschiedet. Eine wahre Legende beim britischen Geheimdienst. Auf dem Friedhof trifft daher die Führungsriege des MI5 mit Rivers Familie aufeinander – ziemlich vollständig: Sogar Rivers Vater taucht auf. Der ist allerdings ein ehemaliger CIA-Agent, der sich irgendwann auf lukrativere und somit illegalere Pfade verabschiedet hat. Dass er in London auftaucht, bedeutet nichts Gutes. Louisa Guy derweil nimmt überraschend Urlaub und sucht den Sohn ihres ermordeten Ex-Kollegen und Ex-Freundes. Und Diana Taverner hat’s endlich geschafft: Sie ist Chefin des MI5 und räumt Stück für Stück sämtliche Mitarbeitenden aus dem Weg, die ihr nicht in den Kram passen.

Wer weiß denn, was der andere tut?

Man mag den Slow Horses viel Blödsinn während ihrer manchmal nur sehr kurzen Karrieren beim Geheimdienst vorwerfen, aber sie sind nun einmal ausgebildete Agentinnen und Agenten. Was verschwundene Söhne, missratene Väter und zwei überraschende Neuzugänge – Alec Wicinski und Emma Flyte – in Lambs Team angeht jedenfalls, fahren sie sofort die Antennen aus und das recht erfolgreich. Während der MI5 seine ausgemusterten Spione, die „Joes“, bei langweiligen Auswertungen wähnt, sind die in Wales unterwegs. Nur nicht gemeinsam.

Mick Herron, der sich im Ernstfall selbst als ziemlich miserablen Agenten einschätzen würde, nutzt „Joe Country“, um nonchalant den Zustand Englands zu kommentieren. Die Politik ein kleiner intriganter Saftladen, der den Brexit verbrochen hat, der Geheimdienst eine Showtreppe der Eitelkeiten und nicht weniger intrigant, und ein Royal nutzt das Land als einen einzigen großen Vergnügungspark. Da bleibt gar keine Zeit mehr, sich um typische Geheimdienstprobleme zu kümmern.

Umso pointierter ist es, dass ausgerechnet das ausgemusterte Personal aus dem Slough House, mit den schlechten Heizungen, knarzenden Treppen und alten Schreibtischen, viel schneller Eins und Eins zusammen zählen kann und schneller agiert und die Probleme in der Regel löst. Mit der Einschränkung freilich, dass sie am Ende doch Hilfe brauchen oder Aufräumarbeiten nötig machen. Und stets hat Jackson Lamb einen Trumpf in der Hand, um sein Team aus dem Schlamassel zu ziehen und zurück in das alte Haus in der Nähe des Barbican Center zu holen.

Bibliografische Angaben

Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-30096-3
Originaltitel: Joe Country
Erstveröffentlichung: 2019
Deutsche Erstveröffentlichung: 2023
Übersetzung: Stefanie Schäfer

Slough House – Die Serie

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Und das obligatorische Cover-Spielchen prüft die Bahnlinien …

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