Privatdetektiv Brenner zieht für seine Ermittlungen dieses Mal ins Internat: Um Missbrauchsvorwürfen eines ehemaligen Zöglings aus dem Marianum nachzugehen, bekommt er dort das Hilfspräfektenzimmer zugewiesen. Abends um Zehn wird er zum Briefing zum jungen Schulrektor gebeten. Aber erst mitten in der Nacht und ein paar Bier später rücken der Rektor und seine zwei Präfekten so richtig mit der Sprache heraus. Ein ehemaliger Schüler des Marianums erinnert sich an verdrängte Vorgänge und komisch dicke Unterhosen im Duschkeller. Womöglich geraten diese Erinnerungen auch noch an die Öffentlichkeit.
Als wäre das nicht schon Besorgnis genug, betreffen die Erinnerungen ausgerechnet den aktuellen Bischofskandidaten, der seinerzeit als Betreuer am Marianum gearbeitet hat. Er soll der der Mann mit der komischen Unterhose im Hygieneunterricht gewesen sein. Das altehrwürdige Jungeninternat ist stolz darauf, dass der künftige Bischof aus seinen Mauern stammt und ein Skandal käme recht ungelegen.
Silentium zu diesem Thema bitte!
Ausgerechnet der betroffene Ex-Zögling wird tot im Marianum aufgefunden. Der Fall könnte ganz rasch zu den Akten, weil sich praktischerweise ein Obdachloser umgehend schuldbeladen in den Duschen nebenan erhängt. Nur einer glaubt nicht, dass es damit getan ist: Brenner. Der bemüht sich nach Kräften, der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Und begegnet dabei immer denselben Leuten, denn die Kirche in Salzburg ist überall. Ehemalige Zöglinge und deren Angehörige betreuen zahlreiche, wichtige Salzburger Pöstchen, vom Festspielkomittee bis zur Ehevermittlung. So ziemlich jedes Haus, das Brenner aufsucht, erweist sich als Kirchenbesitz. Und überall arbeiten philippinische Dienstmädchen, die vom Marianum im Rahmen krichlicher Austauschprogramme in Salzburg geschult werden.
Brenner lässt sich von einem ehemaligen Sträfling helfen, aber auch von einer alten Bekannten im Festspielhaus, die ein paar Strippen ziehen kann. Dass Brenner herausfindet, warum der frühere Zögling ermordet wurde, grenzt allerdings an ein Wunder. Denn nachdem die zweite Leiche auftaucht, taucht Brenner auf der Krankenstation des Marianums ab: Tagelang starrt er an die Decke und bekommt kaum etwas mit. Seine Ermittlungsmethoden machen ihm zusätzlich das Leben schwer:
„Das ist ihm beim Ermitteln oft schon ein bisschen im Weg gestanden. Immer das Unwichtige zuerst. Das war eine Krankheit, von der ist der Brenner nicht losgekommen. Immer mit der Kirche ums Kreuz.“

Wie löst Brenner seine Fälle?
Irgendwo habe ich mal die Frage aufgeschnappt, wie Brenner mit seiner planlosen Rumlauferei (und in diesem Fall inklusive tagelanger Apathie) überhaupt einen Fall lösen könne. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, warum mir die Bücher vom Brenner so gut gefallen.
Erstens ist es die Sprache: Gnadenlos umgangssprachlich. In keiner Zeile unterläuft da ein „Fehler“, es fehlen Verben, Sätze enden anders, als der Satzanfang es vermuten lässt, Sätze enden halbfertig. Dieser Stil ist einzigartig und faszinierend. Zweitens der Brenner: Er ist kein Antiheld, er ist, wie schon geschrieben, ein Antiermittler. Er gerät nicht widerwillig rein. Er macht es freiwillig, aber er kann es nicht. Und dennoch löst er die Fälle. Drittens der Sarkasmus: Die führenden Persönlichkeiten Salzburgs scheinen alle Dreck am Stecken zu haben, keiner hat eine weiße Weste. Es werden seit Generationen Gefälligkeiten geschoben und genommen. Darüber lässt sich das Buch in boshaftem Ton kräftig aus.
Zu allem passend die wunderbaren Cover des Rowohlt-Verlags, illustriert vom Österreicher Jürgen Mick, auf denen Schlüsselszenen oder Schlüsselpersonen pointiert dargestellt werden. Selten passen Cover von Motiv und Stil her so gut zum Buch. Wer Haas immer noch nicht kennt, sollte langsam aber sicher mit der Lektüre anfangen.
Wolf Haas
Komm, süßer Tod
Bibliografische Angaben
Verlag: rororo
ISBN: 978-3-49922-830-8
Erstveröffentlichung: 1999
Bestellen bei genialokal.de* / buchhaus.ch* / osiander.de* / orellfuessli.ch* / medimops.de* / amazon.de* (*Affiliate-Links)
Merken