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Bleisatz

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Ich erinnere mich an …

Ich erinnere mich an …

In ihrem neuen Buch „Leben, schreiben, atmen“ denkt Doris Dörrie über das autobiografische Schreiben nach und zeigt mit zahlreichen kleinen Erzählungen und Anregungen, worum es ihr dabei geht. Ein klassischer Schreibratgeber mit „do & don’t“ ist es also nicht geworden. Unter der Schirmherrschaft von Sarah Reul lädt euch der Hashtag #lebenschreibenatmen zum Mitschreiben ein — ganz im Sinne von Doris Dörrie selbst, die nicht umsonst den Untertitel so formuliert hat: „Eine Einladung zum Schreiben“.

Auch wir haben uns mit den Tipps im Buch beschäftigt. Wir, das sind Sarah Reul, Anabelle Stehl, Stefanie Leo, Wibke Ladwig, Alexandra Koch, Anne Sauer, Ilke Sayan, Mia Weber und ich. Wir laden euch ein, es uns gleich zu tun! Sei es mit den Tipps, die wir als Ausgangspunkt genommen haben, sei es mit Auszügen aus dem Buch, die der Diogenes Verlag anbietet. Ihr findet Inspiration auf unseren Blogs, in den Social Media-Kanälen oder auf der Verlagsseite und dessen Social Media-Auftritten.

Am besten funktioniert autobiografisches Schreiben, wenn man mit der Hand schreibt, meint Doris Dörrie. Gut, dann tue ich das. Ein weiterer Tipp ist dieser:

Es gibt eine Zauberformel, die immer funktioniert. Sie lautet: Ich erinnere mich an.


Ich erinnere mich an … meine erste Bibliothek. Sie war wahnsinnig klein, aber für die Grundschülerin, die ich damals war, geradezu perfekt. Die wahre Größe unbedeutend. Eigentlich bestand diese Bibliothek nur aus zwei oder drei Regalbrettern im Klassenzimmer. Frau Schneider hatte sich darum gekümmert und ich behaupte mal, die gab es auch nicht von Anfang an.

Wie oft durften wir ausleihen? Daran erinnere ich mich wirklich nicht mehr. Ich weiß aber, dass hibbelige Kinder unter Ermahnungen in einer Warteschlage vor Frau Schneiders Pult aufgereiht standen, damit die Bücher in der Leihkarte eingetragen werden konnten. Dazwischen die braven Kinder, die ruhig warten konnten ohne zu schwätzen, andere am Hemd zu zupfen oder vor Langeweile Hüpfspiele zu starten. Zu welcher Kategorie Kind gehörte ich? Gerne würde ich mich jetzt als legendär anständig hinstellen. Die Gelegenheit ist günstig, keiner kann es prüfen. Wenn ich ehrlich bin, erinnere ich mich aber doch daran, dass ich mit Anja, Markus oder Thomas Blödsinn gemacht habe. Mit Uli sowieso, der war der Größte in der Klasse und immer zu Theater aufgelegt.

Ich erinnere mich auch daran, wie das Regal aussah? Nein, das bekomme ich nicht hin. Wenn ich es mir heute vorstelle, sehe ich zwar einen Designklassiker aus den 50ern vor mir, Holzbretter, die in eine Art Leiter aus dickem Draht eingehängt sind. Das liegt vermutlich eher daran, dass genau so ein Regal bei Tante Christa hing, wo ich es nicht nur vier Jahre lang sehen konnte, sondern bis weit über das Abitur hinaus.

Ich erinnere mich sogar daran, was ich ausgeliehen hatte. Fast. Um genau zu sein, an exakt ein Buch. Deswegen gab es nämlich Ärger. Es war ein Superman-Comic. Sowas wollte ich als Mädchen lesen? Na, warum steht es denn sonst zur Ausleihe! Tarzan kannte ich ja schon. Den las ich immer bei der Nachbarin, die das für ihren Enkel hortete. Das hatte ich Frau Schneider höchstwahrscheinlich auch erzählt, weil ich jeden Tag eine Menge zu erzählen hatte, stieß aber ebenso höchstwahrscheinlich auf wenig Begeisterung. Wenigstens verbot sie mir nicht, den Comic auszuleihen. Aber ihr Entsetzen darüber, dass ich, die sonst so gute Deutschschülerin und Vorleserin, einen Bubencomic ausleihen wollte, das habe ich schon noch im Kopf.

Ich erinnere mich daran, dass das Regal einen sehr prominenten Platz im Raum hatte. Gleich neben der Tür rechts an der Wand, neben der Ecke mit dem Waschbecken. So gehängt, dass man es auch in den Unterrichtsstunden sehen konnte. Oder dann, wenn man bestraft wurde. Stellt man Kinder heute noch in die Ecke? Ein Klassenzimmer jedenfalls hat vier Ecken für vier Störenfriede und ein fünfter sitzt im Zweifelsfall am Pult der Lehrerin. Frau Schneiders Pult war immer ziemlich leer. Vergleiche ich es mit den Pulten der Lehrer meiner Kinder: So vollgestellt, wie die sind, können die jedenfalls kein Kind auf diese Weise aus dem Unruheherd rangieren. Auf alle Fälle (jetzt hatte ich doch glatt eine Abzweigung genommen) waren Strafen nicht so wild, wenn ich die Ecke mit dem Bücherregal erwischt hatte. Da ließ es sich eigentlich aushalten, obwohl man die Bücher natürlich nicht herausnehmen durfte. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass Bücher für mich in der Grundschule neben zahlreichen anderen Qualitäten auch etwas Tröstliches hatten.


Das Buch

Doris Dörrie: Leben, schreiben, atmen. Eine Einladung zum Schreiben
Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-07069-9
Erstveröffentlichung: 2019

„Schreiben heißt für Doris Dörrie, das eigene Leben bewusst wahrzunehmen. Wirklich zu sehen, was vor unseren Augen liegt. Oder wiederzufinden, was wir verloren oder vergessen haben. Es ist Trost, Selbstvergewisserung, Anklage, Feier des Lebens.“

Das Gewinnspiel

Der Diogenes Verlag veranstaltet zu diesem Buch ein Gewinnspiel. Habt ihr Lust zum selber schreiben bekommen? Dann probiert es aus: Bis zum 22. September 2019 müsst ihr unter dem Hashtag #lebenschreibenatmen auf Facebook, eurem Blog, Twitter oder Instagram euren persönlichen, durch die Schreibanregungen entstandenen Text veröffentlichen und eine Mail mit Betreff #lebenschreibenatmen und dem Link zum Post sowie der eigenen Postadresse an gewinnspiel@diogenes.ch schicken. (Hier geht es zu den Teilnahmebedingungen).

Unter allen Teilnehmer*innen werden zehn Exemplare des Buches verlost. Als besonderes Highlight könnt ihr dreimal je eine Karte (plus Buch) für die Live-Schreibwerkstatt am Buchmessemittwoch, den 16.10.2019 im Frankfurter Literaturhaus gewinnen (hier findet ihr nähere Infos zu der Veranstaltung).

Für alle, die gerne gemeinsam schreiben möchten, gibt es am Samstag, den 31. August ab 20 Uhr eine Schreibnacht auf Twitter! (Link zur FB-Veranstaltung).

Alle Texte der Aktion #lebenschreibenatmen


Hinweis: Unbezahlte Kooperation. Bleisatz hat für die Teilnahme an diesem Projekt ein Leseexemplar erhalten.

Foto: Bettina Schnerr

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