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Katherine Rundell – Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt und andere Kuriositäten aus dem Tierreich

Katherine Rundell – Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt und andere Kuriositäten aus dem Tierreich

Katherine Rundell - Warum die Giraffe nicht in Ohnmacht fällt und andere Kuriositäten aus dem Tierreich

Zwar höre und lese ich es nicht zum ersten Mal, und doch staune ich in Ehrfurcht, wenn die Rede vom Grönlandhai ist: Als Shakespeare 1606 einige wenige Verse über die damalige Pestwelle schrieb, schwammen Haie durch den Ozean, die heute noch leben. Und dessen Urgroßeltern wiederum, nur drei Generationen zuvor, waren zu Julius Caesars Zeiten unterwegs. Bei diesem Staunen wird es das Buch über nicht bleiben. Nicht umsonst beginnt Katherine Rundell ihr Buch mit diesem Zitat von G.K. Chesterton: „Der Welt wird es nie an Erstaunlichem mangeln, sondern nur am Staunen.“

Insgesamt 21 Tiere stellt Rundell vor, von Elefanten und Igeln über Lemuren und Störche bis hin zu Spinnen und Krähen – jeweils treffend illustriert von Talya Baldwin. Alle faszinieren sie durch besondere Fähigkeiten. Die Mauersegler verbringen ihr Leben fast ausschließlich fliegend, das Fell der Goldmulle irisiert im Licht und Krähen haben schon Menschen aus der Patsche geholfen. Sofern die Menschen sich zuvor als liebenswerte Nachbarn bewiesen haben jedenfalls.

„Noch etwas lohnt sich zu wissen: Nur äußerst selten finden wir heraus, dass irgendein Lebewesen tatsächlich weniger intelligent ist, als wir angenommen haben.“

Meist ist es eher andersherum, wie Sy Montgomery in „Rendezvous mit einem Oktopus“ zeigt. Wir unterschätzen die Tierwelt eher, als dass wir sie überschätzen.

Eine traurige Hommage

Die Frage, die sich bei Katherine Rundell sehr schnell stellt: Wenn die Natur so wunderbar ist, warum wird sie dann nicht besser bewahrt? Ihre Liebeserklärung an die Natur ist gleichzeitig fast ein Abschiedsbrief. Für jedes einzelne Tier zählt sie auf, was ihm Probleme bereitet und … jedes einzelne Mal steckt der Mensch dahinter. Das Grundprinzip ist eigentlich immer dasselbe. Die Rückzugsorte schwinden, Pestizide und Klimawandel dezimieren Beute und Lebensraum und Tiere wurden oder werden noch gejagt.

Thunfische, Seepferdchen, Robben, Hasen oder Wombats und oder der Igel: In England leben rund eine Million Tiere, noch vor rund 70 Jahren waren es 30 Millionen. Dem Storch erging es auf der Insels noch schlimmer, schreibt Rundell. Den gibt es erst seit 2020 wieder, dank eines Auswilderungsprojekts. Denn die „vorletzten auf englischem Boden geschlüpften Jungen gab es 1416“. Den Niedergang besorgte der Adel. Storch galt bei Hof als Festmahl und auf dem europäischen Festland wurden Störche gar bis ins 17. Jahrhundert aufgetischt.

Nicht wenigen Tieren macht der Mensch den Garaus, weil sie in irgendeiner Form als Aphrodisiakum gelten. Dabei gibt es, schreibt Rundell, außer pharmazeutisch hergestellten Produkten nichts Nützliches: „Tatsächlich ist die Gesamtzahl der natürlichen Aphrodisiaka … gleich null.“ Eine Auster, die ihren Ruhm bloß der Optik zu verdanken hat, sei von ihren Bestandteilen her so anregend „wie eine Vitamintablette in Salzwasser“. Shakespeare, wir hatten weiter oben bereits von ihm gelesen, dokumentiert in „Die lustigen Weiber von Windsor“ in diesem Zusammenhang ein grandios komisches Stück Zeitgeschichte. Als aphrodisierend galten und gelten unter anderem exotische Dinge und das war zu Shakespeares Zeit … die Kartoffel!

Der Irrglaube offenbart unsere große Verletzlichkeit und eine enorme Dummheit, die ganze Ökosysteme zu zerstören vermag.

Aufmerksamkeit, Wissen & Liebe

Katherine Rundell mischt in ihrem Buch über die nicht ohnmächtig werdenden Giraffen auf unterhaltsame wie kluge Art die schönen Phänomene des Tierreichs und historische Rückblicke mit all den dummen und überheblichen Fehlern, die Menschen im Umgang mit der Natur machen. Ihre Liebeserklärung derart zu garnieren, hat für sie einen besonderen Grund: Furcht und Wut bringen Dinge in Bewegung, schreibt sie. Aber viel mehr brauche es für den Antrieb auch eine „kenntnisreiche und aufmerksame Liebe“. Genau das ist das Ziel von Rundells Buch. Wir müssen eben nicht nur um die großen Probleme wissen, die wir Menschen schaffen. Wir brauchen immer wieder den bewundernden Blick auf die Details, um zu wissen, was es sich zu schützen lohnt.

Bibliografische Angaben

Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-30096-3
Originaltitel: The Golden Mole and other Living Treasure
Erstveröffentlichung: 2022
Deutsche Erstveröffentlichung: 2023
Übersetzung: Tobias Rothenbücher

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