„Wenn ein Richter zu viel weiß, aber nichts in der Hand hat, kommt es vor, dass sie ihn abknallen.“
Die Kriminalität blüht in Bella Italia. Camilleris sizilianische Mafiosi haben mit einem Gebäck liebenden Richter zu kämpfen. Lucarellis begehrenswerte Ermittlungsrichterin mit den Terroristen in Bologna um 1980. Und De Cataldo lässt einen Staatsanwalt von Recht und Gerechtigkeit träumen.
Rezension
Für dieses Buch haben sich drei Autoren zusammengetan, die allesamt viel Erfahrung mit der Mafia haben. Als Schriftsteller, Richter oder Journalist durch umfangreiche berufliche und sicher nicht immer einfache Recherchen. Sie alle schreiben Kriminalromane, haben verschiedene berufliche Hintergründe und schriftstellerische Stile. Heraus gekommen ist ein facettenreiches Buch, das uns in drei verschiedene Jahrzehnte mitnimmt.
Den Anfang macht Andrea Camilleri mit ‚Richter Surra‘ (ital.: Il giudice Surra). Mit der Kutsche reist Surra in Montelusa an, um dort das Gericht in Sachen Verfahren und Gesetz auf den aktuellen Stand zu bringen. Ohne Zaudern und sehr geradlinig macht sich der Richter an die Arbeit. Das macht Eindruck bei vielen Einwohnern und bringt andere zugleich sehr ins Schwitzen. Surra scheint keine Angst zu kennen. Die Geschichte führt zu den Anfängen der heutigen Mafia: Einflussreiche Personen organisieren das Leben in der Region, wie sie es für richtig halten. Surras Vorgänger hatte offensichtlich immer wieder Verständnis für den sehr individuellen Blickwinkel. Dieses Verständnis für Regelungen, die nicht zu 100 Prozent gesetzeskonform sind, gehört nicht zu Surras Denkweise und das bringt ihn in Gefahr. Damit geht er auf äußerst ungewöhnliche Weise um.
Carlo Lucarellis Ermittlungsrichterin ‚Die Bambina‘ (ital.: La bambina) hat es schon schwerer. Die junge Beamtin ermittelt fernab der heißen Eisen und gerät dennoch in den Sog von Anschlägen und Untergrundexistenzen. Im Bologna der 1980er Jahre hat selbst sie einen Polizisten an ihrer Seite, der den Personenschutz gewährleisten soll. Mit dieser Geschichte kommen wir zu der Mafia, wie sie uns aus Zeitungen und Filmen bekannt ist: Eine skrupellose Organisation, die nicht mit Rafinesse arbeitet, sondern brutal, gewissenlos und ausnehmend korrupt. Eine Organisation, die die Gesellschaft schon längst viel zu sehr durchdrungen hat. Wer als Richter arbeitet, braucht Mut und Ideen und just die junge Richterin hat man schwer unterschätzt.
Giancarlo De Cataldo stiftet ein wenig Verwirrung: ‚Der dreifache Traum des Staatsanwalts‘ (ital.: Il triplo sogno del procuratore) unterscheidet nicht erkennbar zwischen den Träumen und der Realität. Man bekommt nicht immer sofort mit, ob ein Handlungsstrang zu einem der drei Träume gehört oder nicht. Was erst verwirrt, im Nachhinein aber -wenn man die jeweilige Einordnung verstanden hat- die Wirkung der Geschichte massiv verstärkt. Ein Richter weiß nämlich nur allzu gut um die Finten, die von den Mafiosi vor Gericht abgezogen werden, um Verfahren zu verzögern und im Idealfall zu bodigen. Und dieses Wissen kann einen zur Verzweiflung bringen, auch als Leser. Und ganz besonders dann, wenn man seinen Gegner schon aus Kindheitstagen ganz genau kennt.
Alles in allem besticht das Buch mit dem Facettenreichtum, das sich durch die drei Autoren, ihre drei Zeitebenen und drei ganz verschiedene Einblicke in die Geschäfte der organisierten Kriminalität ergibt. Umso mehr mag man am Ende den Mut jener Menschen bewundern, die sich trotz der Gefahren immer wieder energisch gegen die rechtswidrige Organisation und ihr gesellschaftschädliches Gemauschel gestellt haben (und immer noch stellen).
Bibliografische Angaben
Verlag: Klett-Cotta
ISBN: 978-3-608939897
Originaltitel: Giudici
Erstveröffentlichung: 2011
Deutsche Erstveröffentlichung: 2013
Übersetzung: Hinrich Schmidt-Henkel