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Bleisatz

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Andrea Fazioli – Solo für Contini

Andrea Fazioli – Solo für Contini

Ein Betrieb für Inneneinrichtung im Tessin gerät in den Fokus eines Mörders: Zunächst sterben zwei Menschen, beide Tote mit zerlegten Möbeln um sich herum. Zunächst vermutet man einen Serienmörder. Als der Privatdetektiv Elia Contini mit einigen Nachforschungen betraut wird, kommt heraus, dass sich die beiden Toten von vergangenen, gemeinsamen Geschäften gekannt haben müssen. Die Polizei stellt ihre Ermittlungen entsprechend um.

Für Contini ist viel interessanter, dass die betroffene Möbelfirma Dolcecasa der Familie Balmelli kurz vor dem Ruin steht, und das nicht zum ersten Mal. Vor einigen Jahren hatte Dolcecasa die Kurve noch gekriegt. Im Konkursamt ist die Stimmung allerdings sehr merkwürdig, wenn die Sprache auf jenes Unternehmen kommt.

Unwilliger Firmenchef mit Saxophon

Wichtigste Bezugsperson für Contini ist Mario Balmelli, ein Designer, der mit der Firma aber eigentlich wenig zu tun haben will. Viel lieber würde er mit einer Jazzcombo durch die Lande ziehen und spielen, spielen, spielen. Erst gerade hatte er sich verkrümelt und war unter falschem Namen auf Tournee gegangen. Weil Elia Contini ihn aufgestöbert hatte, wird der Privatdetektiv für Mario zum Ansprechpartner, um bei Dolcecasa ein bisschen herumzufragen. Zwar interessiert er sich wenig für das Business, doch ob der drohende Konkurs mit unlauteren Geschäftspraktiken des Wettbewerbs zu tun hat, interessiert ihn dann schon.

Soweit das Setting. Rundum ist das ein flüssig geschriebener Krimi, der die Szenerie von Landschaft und Arbeitsbedingungen im schweizerisch-italienischen Grenzraum lebendig werden lässt.

Manchmal braucht ein Detektiv gar nicht zu handeln. Es reicht, wenn die Leute im Bilde und Gerüchte im Umlauf sind. Irgendjemand beginnt sich Sorgen zu machen, andere reagieren falsch oder reden zu viel. Am Ende muss der Detektiv nur zum richtigen Zeitpunkt bereitstehen.

Was ich nicht mehr so schätze

Der Krimi baut allerdings auf Details auf, die ich nach all den Jahren mit Krimilektüre nicht mehr in Mengen vertrage. Das fängt bei Contini an, der auf verschroben und eigentbrötlerisch gebürstet wird. Ganz so arg wie die PR ihn verkauft, ist es nicht, denn er ist verheiratet und eigentlich ein passabler Zeitgenosse.

Wo er tatsächlich verschroben ist: Contini hat für moderne Kommunikationsmittel und Technik nichts übrig. Ein Wunder, dass er von Kollegen eine GPS-Überwachung machen lässt. Aber einen selbständigen Privatdetektiv als totalen Technikdepp hinzustellen, der sich auch nichts aneignen will? Man muss nicht absolut alles haben, was technisch möglich ist. Man kann eine Methode der anderen vorziehen. Man kann Kollegen um Hilfe bitten, wenn die besser ausgestattet sind. Aber Privatdetektive, die als derart technikfeindlich beschrieben werden, dass sie einen Anrufbeantworter als innovative Neuanschaffung feiern, mag ich nicht mehr haben. Was hat der für ein Telefon, dass er einen benötigt? Von Autoren, die dieses veraltete Muster bedienen, fühle ich mich leicht vergackeiert. Hey, möchte ich sie rütteln, ihr schreibt über Selbständige, deren Job von einem ganz normalen Telefon abhängt und die können „Anrufbeantworter“ ganz von alleine.

Die Kombination macht’s

Und Serienkiller? Naja, manchmal ist es lesbar und passt zum Setting. Was für mich nicht mehr stimmt: Bei den merkwürdigen „Ritualen“, die da entwickelt werden. In diesem Fall Möbel zerlegen und dann um die Leichen herum drapieren. Kaum ein Mensch würde so einen Aufwand machen. Zu hohes Risiko, unnötige Spuren zu hinterlassen; zu viel Zeitaufwand, den man unauffällig stemmen muss. In der Masse, in der solche Täter auf den Buchmarkt geworfen werden, kann ich sie nicht mehr lesen.

In Kombination mit Mario Balmelli, der unfertig und kindisch wirkt, und einer XXX als Lösung des Falles war es too much (nehmt das XXX so hin, sonst müsste ich spoilern, aber nehmt es sicher als weitere Komponente, die mir aufsummiert eine zuviel war).

Bibliografische Angaben

Verlag: btb
ISBN: 978-3-442-71725-5
Originaltitel: Larte del fallimento
Erstveröffentlichung: 2016
Deutsche Erstveröffentlichung: 2019
Übersetzung: Franziska Kirsten

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