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Ashley Curtis – Hexeneinmaleins

Ashley Curtis – Hexeneinmaleins

Wer schrieb eigentlich die Werke Shakespeares? War es wirklich jener William Shakespeare aus Stratford-upon-Avon? Das Nachwort zum Buch verrät, dass die Idee einer ganz anderen Autorenschaft erstmals 1856 aufgekommen sei. Seither entwickelten die Menschen mehr als 70 (!) Theorien darüber, wer die Sonette und Theaterstücke statt dessen verfasst haben könnte. Solche Theorien oder Rätsel bieten sich freilich großartig als Hintergrund für weitere Rätsel, sprich: Krimis, an.

Die Kandidaten, die unter Shakespeare-Gegnern bis heute am besten im Rennen liegen, sind Christopher Marlowe und Edward de Vere, Earl of Oxford. Die Marlowe-Theorie spielt zum Beispiel bei „Inspektor Jury küsst die Muse“ von Martha Grimes eine Rolle. Beim hier vorgestellten Buch von Ashley Curtis dreht sich alles um den Earl of Oxford. Der Earl hat gegenüber Marlowe immerhin den Vorteil, dass er nicht schon tot war, als es bei Shakespeare erst so richtig losging. Beide Theorien gehen davon aus, dass ein Schauspieler als Strohmann für die Autoren im Hintergrund agierte. Marlowe wurde bedroht und täuschte der Theorie zufolge deshalb seinen Tod vor, um weiter schreiben zu können. Der Earl hingegen konnte aus seiner gesellschaftlichen Position heraus keine Theaterstücke schreiben und suchte deshalb nach einem unverfänglichen „Double“, heißt es von Anhängern der anderen Theorie.

Eine Konferenz soll’s richten

Ashley Curtis lädt seine Protagonisten zu einer Konferenz nach Stratford-upon-Avon ein. Eine Konferenz mit je vier Vertretern der beiden Lager soll mit kurzen Beiträgen der Sache auf den Grund gehen. Die Hoffnung in der Shakespeare-Stadt ist natürlich, dass die Shakespearianer die Oxfordianer in Grund und Boden argumentieren. Immerhin geht es für die Stadt um viel Geld, das sie mit dem Tourismus verdient. Doch bevor es überhaupt losgeht, stirbt Professor Thompson, einer der Shakespearianer, im Theater. Sein Hotelzimmer wird derweil dürchwühlt und der Vortrag, den er auf der Konferenz halten wollte, ist verschwunden.

Der Fall wird Superintendent Ian Stokes zugeteilt. Dessen Eltern sind beide Literaturwissenschaftler und der Chef findet, deshalb könne er am besten mit dem Milieu der Wissenschaftler umgehen. Selten hat man so viele Professoren und Gelehrte als Tatverdächtige gehabt. Zwar sieht der Todesfall an sich ganz harmlos aus. Aber das durchwühlte Hotelzimmer deutet darauf hin, dass es schlimmer kommen könnte.

Wer war’s nun?

Über 400 Seiten, die mir richtig Spaß gemacht haben. Denn es geht nicht nur um die Frage, ob jemand Thompson überhaupt auf dem Gewissen hat und falls ja, wer. Parallel dröselt Curtis die Welt der Shakespeare-Forschung auf und ganz besonders eben jene rund um das das Misstrauen an seiner Urheberschaft. Der Autor erzählt in einem kurzen Intro, dass sämtliche Äußerungen der Oxfordianer in seinem Buch aus publizierten Quellen stammen und dass alle Dokumente, die von den Wissenschaftlern im Lauf der Geschichte erwähnt werden, echt sind. Diese Genauigkeit in der Recherche spürt man beim Lesen und so kam’s, dass ich mich über das Buch hinweg regelrecht daran erfreut habe, als Leserin Teil dieses Diskurses zu sein. Stokes aber findet diese Überlegung eher irrelevant:

Für uns, die Kriminalpolizei, kommt es weniger darauf an, wer die Stücke nun wirklich geschrieben hat, sondern vielmehr, was die Gelehrten bei der Konferenz dazu sagen. Professor Thompson glaubte fest an seinen Beweis. Und ohne den zu kennen, glaubten – oder fürchteten – die anderen dasselbe. Darauf kommt es meiner Meinung nach an.

Das Rätsel der Urheberschaft

Während Stokes einen Mörder sucht, suchen seine Eltern nach einem Autor: Nachdem ein mysteriöses, historisches Dokument erwähnt wird, schickt Stokes die beiden auf die Suche und bittet darum, es zu lesen und zu analysieren. Vielleicht kann man die Fragen nach Mörder und Autor doch nicht voneinander trennen. Damit öffnet Curtis noch einen zweiten Erzählstrang, wenn gerade Stokes‘ Mutter sich mit Schwung in die Textanalyse wirft und alte Kontakte spielen lässt.

Zu guter Letzt gehen die pensionierten Akademiker selbst auf die Jagd, um ihrem Sohn zu helfen. Im Rahmen der Geschichte ist das ein raffinierter Schachzug, der ebenso wie die Krimihandlung aus Whodunit und Whowroteit doppelt angelegt ist. Die Eltern waren nämlich nie so recht zufrieden mit der Berufswahl ihres Sohnes. Ihnen wäre ein Literaturwissenschaftler lieber gewesen. Jetzt aber bindet er sie ein und benötigt ihr Fachwissen, während sie umgekehrt ein wenig auf den Geschmack kriminalistischer Spurensuche kommen.

Löst Ashley Curtis das Rätsel im Lauf des Buches auf und wenn ja, wie bekommt er es hin? Ich verrate es natürlich nicht und empfehle an dieser Stelle, Hexeneinmaleins selbst zu lesen. Wer mehr zur Oxford-Theorie wissen möchte, darf übrigens in den ausführlichen Wikipedia-Eintrag dazu reinschauen.

Bibliografische Angaben

Verlag: Kommode Verlag
ISBN: 978-3-9524626-5-2
Erstveröffentlichung: 2019
Übersetzung: Silvia Morawetz

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