Zaia Alexander – Erdbebenwetter
Bei manchen Büchern bin ich mir ja nicht sicher, ob ich sie einfach nicht gut finde oder sie gar nicht erst verstehe, um zum „Gutfinden“ überhaupt eine Chance zu bekommen. Bei „Erdbebenwetter“ überfiel mich ungewöhnlich schnell der Eindruck, dass sich Möglichkeit 1 und 2 höchst unglücklich mischen könnten. Ich fand mich so eindeutig nicht zurecht, dass ich weder erzählerisch noch inhaltlich absolut keinen Aufhänger fand, der mich wenigstens noch ein paar Seiten hätte weitertragen können.
Die Story beginnt mit der Filmemacherin Lou und ihrer Tochter Lola, deren Katze Sophie nachts von Koyoten angegriffen und getötet wurde. Abwechselnd fügen sich nun zwei Geschichten zusammen. Die eine dreht sich um Lou, die über einen früheren Bekannten einen „Hexer“ und seine Anbeterinnen und Anbeter kennenlernt. Die andere dreht sich um die kleine Familie aus Lou, Lola und Sophie.
Aber was was sollen die schönen Ankündigungen, man begegne Menschen, deren Worte ins Zentrum der eigenen Existenz träfen? Der Hexer erinnert mich an einen manipulativen Guru statt einen Sinnstifter und dessen Gefolge an künstlich aufgebauscht geheimnisvoll tuende Schauspieler. Der erwähnte frühere Bekannte redet plötzlich nicht mehr mit Lou, warum auch immer; es ist, als ob er eine Aufgabe erledigt hätte und nun von der Bühne abtreten muss, aber nicht ganz aus dem Skript geschrieben werden kann. Und das einzig Coole der ersten Seiten ist Lolas Spruch: „Ich bin ein vierundachtzigjähriger Chinese.“ Mit meiner nicht ganz vierundachtzigjährigen Weisheit vermittelt mir mein Bauchgefühl, dass ich die Koyoten zum Bücherflohmarkt ziehen lasse.
Gekommen bin ich bis Seite 63 (von 310).
Verlag: Tropen
ISBN: 978-3-608-50459-0
Erstveröffentlichung: 2020
Leopold Federmair – Hiroshima Capriccios
„Erkundungen, Feststellungen und Niederschriften entlang von Reisfeldern, Ginkobäumen, Zitronenhainen, Konbinis und Tempelanlagen.“ Der kurze Hinweis auf dem Buchrücken fasst bereits bestens zusammen, was die Lesenden im Buch erwartet. Zahlreiche kurze Impressionen, in denen Leopold Federmair im Westenlichen von zahlreichen Spaziergängen, Wanderungen und Fahrradtouren erzählt. Gesprenkelt mit kleinen Gedichten oder den Versuchen, japanische Lyrik wie Haiku auf Deutsch zu kreieren.
Zu Beginn eine schöne Lektüre, denn die gelassen erzählten Landpartien zeigen das Japan außerhalb der großen Metropolen, die so oft die übersetzte Literatur prägt. Federmaier erweckt das Kopfkino zum Leben, vor allem dann, wenn man solche Szenerien schon selbst gesehen hat. Müsste ich einen Vergleich ziehen, würde ich sagen, Federmair sei wie ein textliches Pendant zu Taniguchis „Der spazierende Mann“.
Federmair läuft durch Felder, er besteigt Berge und Hügel, beschreibt seine Routen zwischen den heimischen Konbinis und zeigt ein ländliches Japan, in dem alles etwas ruhiger zugeht. Oft ist er ohne Ziel unterwegs und lässt seine Gedanken schweifen. Während das Wachrufen bildlicher Erinnerungen zu Beginn noch nostalgisch für mich war, verliert sich der Reiz schnell. Die kleinen Episoden bleiben nichtssagend für mich – und am Ende wirken die Texte wie kleine, persönliche Notizbucheinträge, mit denen niemand etwas anfangen kann, außer der Verfassende selbst.
Gekommen bin ich -in Etappen- bis Seite 152 (von 321).
Verlag: Otto Müller
ISBN: 978-3-7013-1310-5
Erstveröffentlichung: 2023
Jo-Ann Yeoh – Zweckfreie Kuchenanwendungen
Wir verfolgen Sukhin, einen Englischlehrer in Singapur, der missmutig durchs Leben stolpert. Seine einzigen Kontakte sind die Eltern, in deren Wohnung sich zahllose Kartons stapeln (falls man mal umziehen muss), und Kollege Dennis, ein Mathelehrer, der ihm seine Freundschaft eher aufzwingt, als dass sie ernsthaft auf Gegenseitigkeit beruht. Eines Tages trifft Sukhin eine Obdachlose — es ist Jinn, ehemalige Klassenkameradin und Freundin. Wie es aussieht, hat sie sich freiwillig aus der Gesellschaft ausgeklinkt. Sukhin trifft sich nun regelmäßig mit ihr, lernt ihr neues Leben kennen, sammelt Kartons für ihren Unterschlupf, backt Kuchen für sie und hilft ehrenamtlich in einer Essensretterküche mit.
Das Kuchen-Karton-Buch fällt in dieselbe Kategorie wie „Erdbebenwetter“: Ich verstehe nicht, worum es geht, und finde keinen Anhaltspunkt, an dem ich mich das gesamte Buch hätte entlanghangeln können. Zwar interessiert mich schon, warum sich Jinn für ein Leben auf Singapurs Straßen entschieden hat, aber sprachlich finde ich mich nicht zurecht. Was im Buch passiert, scheint mir so belanglos und auch ebenso formuliert. Es gibt Bücher, in denen scheinbar „nichts“ passiert, und die mich trotzdem packen: „Wilde Tiere“ ist so ein Kandidat und auch „Alpha Bravo Charlie“ konnte mich überzeugen). Yeoh schafft dieses Kunststück nicht.
Vielleicht stört mich, dass das Belanglose nicht verdichtet genug ist. Jinn gibt genug Stoff zum Nachdenken her. Aber nebenher versuchen die Eltern, Sukhin zu verheiraten, und der wehrt sich nach Kräften. Ihre komische Kartonsammelwut wirkt an den Haaren herbeigezogen. Die Schüler nerven den spröden Lehrer selbstredend und Dennis nervt nicht nur Sukhin, sondern auch mich. Alleine dafür, dass er Sukhin permantent mit „Süßer“ anredet, müsste man ihm einen Kuchen ins Gesicht werfen.
Ich mag allerdings das Cover, weil es Karton und Kuchen so schön miteinander verbindet. Und ich vermute aufgrund der Farbgebung, dass Dennis irgendwann noch eine tragendere Rolle spielen könnte als nur als Kollege, der Sukhin auf den Wecker geht. So weit bin ich allerdings nicht gekommen.
Trivia zum Schluss: Das Buch gewann 2018 den „Epigram Books Fiction Prize“, ausgelobt für zeitgenössische Literatur aus Singapur.
Gekommen bin ich bis Seite 144 (von 335).
Verlag: Kröner
ISBN: 978-3-520-62501-4
Originaltitel: Impractical Uses of Cake
Erstveröffentlichung: 2019
Deutsche Erstveröffentlichung: 2022
Übersetzung: Gabriele Haefs