Ihr wisst ja, ich gebe selten auf. Bislang gibt es im Blog nur drei Beiträge zu abgebrochen Büchern. Sollte ich den einen oder anderen Titel vergessen oder unterschlagen haben, spiegelt das Verhältnis doch meine Leserealität wieder. In den letzten Monaten kam es zwei Mal zum Abbruch und zumindest hier erkenne ich ein Muster: Es waren beide Male Kurztexte.
Doris Knecht wird als „Roman“ beworben – die Überlegungen einer alleinerziehenden Mutter, deren Kinder bereits so groß sind, dass sie ans Ausziehen denken. Die Tochter jedenfalls hat sich bereits Mutters Atelier für die Zeit nach der Matura reserviert. Die Mutter reflektiert ihr eigenes Großwerden und denkt über ihre Zukunft nach. Florian Schneider wiederum hat zwanzig „Erzählungen“ ausgewählt, über Menschen, deren Leben feine Risse bekommen.
Wo soll das hinführen?
Bei beiden Büchern habe ich schnell gemerkt, dass mir der rote Faden fehlt. Im Gegensatz zu Kurzgeschichten, wie ich sie von Benedict Wells gelesen habe, oder autobiografischen Erzählungen von Donna Leon oder auch Bianca Kos, fand ich weder übergreifend einen, noch innerhalb der Texte.
Bei Schneider ist das ohnehin schwierig, da er manchmal kleinste Vignetten mit nicht einmal einer Seite Länge schreibt. Er schreibt lakonisch und gut. Aber meine Schwierigkeit ist, mich in den Szenen wiederzufinden. Wenn eine Geste oder Äußerung einer Figur einer anderen die erwähnten „Risse“ verpasst, so muss das in einem kurzen Text nicht zwingend für Leserin oder Leser nachvollziehbar sein. Die Vorgeschichte fehlt, das ist das Eine. Das Andere ist freilich, dass die Szenen völlig anders aufgenommen werden können als ürsprünglich gedacht – zumal die Enden keine Erklärungen bieten, was den Riss herbeigeführt hat. In der Kürze bleibt zu viel Raum für beliebige Variationen. Am Ende hat jemand eine Szene über einen Fremdenführer am Fluss geschrieben und ich habe nicht verstanden, was daran bedeutend gewesen sein soll.
Bei Doris Knecht ging es mir ähnlich, obgleich die Stories länger waren, mehr Handlung enthielten und ich die abolut nachvollziehbare Neuorientierung der Mutter erkannte. Doch wohin das führen sollte, wurde mir nicht klar. Doris Knecht kann wenig dafür (für Florian Schneider gilt dasselbe), zumal ich von „weg“ ganz begeistert war.
Nach diesen beiden Leseerfahrungen ziehe ich für mich allerdings die Schlussfolgerung, dass ich mich auf Momentaufnahmen und Vignetten vorerst nicht mehr einlassen möchte.
Doris Knecht – Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Gekommen bin ich bis Seite 56 (von 236).
Verlag: Hanser Berlin
ISBN: 978-3-446-27803-5
Erstveröffentlichung: 2013
Florian Schneider – Polarstation
gekommen bin ich bis Seite 133 (von 156)
Verlag: periplaneta
ISBN: 978-3-95996-247-6
Erstveröffentlichung: 2022