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Sanaka Hiiragi – Die Erinnerungsfotografen

Sanaka Hiiragi – Die Erinnerungsfotografen

Sanaka Hiiragi - Die Erinnerungsfotografen

Herr Hirasaka betreibt einen kleinen Fotoladen, in den ganz besondere Besucher kommen. Er hat die Aufgabe, Verstorbene ins Jenseits zu begleiten und dafür blicken sie zunächst auf das Leben zurück. Anhand von zahllosen Fotos, die jedes Mal vom jungen Yama geliefert werden, werden die jeweiligen Lebensjahre erinnert. Einen besonderen Moment darf man in Begleitung von Hirasaka sogar nochmals erleben und mit einer Kamera seiner Wahl fotografieren – „Erinnerungsfotografen“ eben.

Hirasaka wird Hatsue Yagi begegnen, einer ehemaligen Kindergärtnerin, dem erstochenen Yakuza Shohei Waniguchi und dem kleinen Mädchen Mitsuru. Sie alle sortieren ihre Erinnerungen und erleben mit dem Fotografen nochmals einen Tag in ihrem Leben. Doch es gibt zwei denkwürdige Abweichungen: Hirasaka selbst hat keinerlei Erinnerungen an sein eigenes Leben -nur ein Foto ist übrig geblieben-, und Mitsuru verlässt überraschenderweise das Fotostudio nicht so, wie alle anderen.

Das Gute finden

Sanaka Hiiragi lässt ihren Erinnerungsfotografen die guten und menschlichen Seiten seiner Gäste finden. Bei Hatsue Yagi ist das keine Schwierigkeit; die Kindergärtnerin hat nach dem Krieg tatkräftig ein Provisorium zu einem funktionalen und heimeligen Kindergarten ausgebaut. Yagi war, wie Hirasaka feststellt, immer für andere da und hat sich auch bei ehemaligen Kindergartengegnern Respekt erarbeitet.

Von Waniguchis Feinden ist keine Rede. Stattdessen konzentriert sich das Buch auf einen Mitarbeiter, zu dem der Yakuza einen guten Draht aufbauen konnte und dem er stets mit Wohlwollen begegnete.

Beide versichern Hirasaka auf ihre Art, dass auch er ganz gewiss ein fürsorglicher Mensch gewesen sein muss — obgleich sich der Fotograf eben an nichts erinnern kann. Aber dieses glückliche Foto und der gemeinsam verbrachte Tag lassen für Waniguchi und Yagi gar keinen anderen Schluss zu.

Fäden verknüpfen

Wie die Personen zusammenhängen, blitzt zwischenzeitlich durch und das ist clever und sympathisch gelöst. Letztlich gibt es nur zwei Dinge, die mich leicht stören. Das eine ist die Mehrzahl „Erinnerungsfotografen“ im Titel. Zwar stellt sich heraus, dass mehrere solcher Fotoläden existieren. Aber Hiiragis Roman dreht sich #ausGründen nur um diesen einen. Das andere ist die Geschichte selbst. Eine schöne Wohlfühlstory, die gefällt, die Spaß macht, die auf unsere Menschlichkeit blickt und vielleicht auch das Ende unseres Lebens in ein interessantes Ritual verwandelt. Aber wie so oft derzeit eher seichte Japan-Literatur. Übersetzerin Sabine Mangold hat erst neulich dazu Stellung genommen.

Ich bin mir übrigens auch nicht sicher, was ich zum Thema des Romans küren müsste. Ist es der Rückblick auf ein erfülltes Leben beziehungsweise die positiven und helfenden Höhepunkte unseres Zusammenlebens? Oder sind die heimlichen Hauptpersonen die Kameras und die Fotografie?

Hiiragi scheint praktisch kein Buch zu schreiben, das sich nicht um Kameras dreht. Sie ist eine leidenschaftliche Fotografin und eine ihrer Geschichten (ein Krimi in einem Retro-Fotoladen) hat dazu geführt, dass sie inzwischen auch für Fachmagazine arbeitet. Im Buch spürt man die Leidenschaft auf jeder Seite, wenn Hirasaka Kameras wählt und beschreibt, oder wenn er den Prozess der Fotoentwicklung erläutert. Warum sollte also als nächstes Buch von Sanaka Hiiragi nicht der Krimi aus diesem Retro-Fotoladen erscheinen?

Bibliografische Angaben

Verlag: Hoffmann und Campe
ISBN: 978-3-455-01617-8
Originaltitel: Jinsei shashinkan no Kiseki (人生写真館の奇跡)
Erstveröffentlichung: 2019
Deutsche Erstveröffentlichung: 2023
Übersetzung: Yukiko Luginbühl, Sabine Mangold

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