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Banana Yoshimoto – Kitchen

Banana Yoshimoto – Kitchen

Banana Yoshimoto - Kitchen

Die junge Mikage lebt seit dem Tod ihrer Großmutter alleine. Zum Ort ihrer Zuflucht in der Wohnung wird die Küche — „Kitchen“ eben –, wo sie sich vom Brummen des Kühlschranks beruhigen lässt. Eines Tages bietet ihr Schulkamerad Yuichi an, sie könne zu ihm und seiner Mutter Eriko ziehen. Mikage lässt sich darauf ein und mit Yuichi und der als Barfrau arbeitenden Eriko entwickelt sich eine Wohngemeinschaft, die Mikage Stück für Stück wieder Halt gibt. Auch dort findet sie Ruhe in der Küche, beim Kochen und bei zwei Menschen, die familiäre Geborgenheit auf ihre eigene Weise definieren und leben. Überraschenderweise gibt ihr der Umzug schnell ein echtes Gefühl von Zuhause.

In der zweiten Kurzgeschichte des Buchs, „Vollmond (Kitchen 2)“, wird nun Yuichi zum Dreh- und Angelpunkt, auch, wenn die Geschichte ebenfalls aus Mikages Persektive erzählt wird. Mikage steht inzwischen auf eigenen Füßen und erfährt erst nach Wochen, dass Eriko in der Bar ermordet worden ist. Eriko war eigentlich ein Mann, der sich vor Jahren nach dem Tod von Yuichis Mutter entschieden hatte, deren Rolle zu übernehmen — und sich dafür entsprechend zu wandeln. Ein Schritt, mit dem Jahre später ein Gast der Bar nicht umgehen konnte. Nun sucht Yuichi seinen Weg durch die Trauer und bekommt Unterstützung von Mikage.

Und noch eine dritte Geschichte steckt in Banana Yoshimotos „Kitchen“: Es ist „Moonlight Shadow“. Diese erzählt von der jungen Satsuki, die ihren Verlobten Hitoshi durch einen Autounfall verliert. Sie leidet darunter, dass sie sich nicht richtig von ihm verabschieden konnte. In Trauer verbunden ist sie mit Hiiragi, der bei diesem Unfall nicht nur den Bruder, sondern auch seine eigene Freundin verloren hatte.

Wege aus der Trauer finden

Jede der Geschichten steht für einen ganz persönlichen Weg aus der Trauer heraus. Mikage lernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Yuichi und Mikage werden später ein Paar, nachdem sie verstehen, dass sie mehr verbindet als gemeinsame Erfahrungen von Tod und Schmerz. Satsuki und Hiirage schaffen es auf teils ungewöhnliche Art, den Abschied nehmen zu können, den sie so vermisst haben.

Auch in „Moshi Moshi“ erzählt Banana Yoshimoto von Trauer und auch dort spielt Essen keine unwesentliche Rolle (überraschenderweise kommen Mahlzeiten in „Moonlight Shadow“ in dieser Hinsicht zu kurz). Warum die Autorin mit ihren Geschichten – und vor allem eben „Kitchen“ — so unglaublich viel Erfolg in Japan hatte, offenbaren mir die Geschichten allerdings nicht selbst. Das schafft das Nachwort von Giorgio Armitrano, einem Japanologen, der viele Bücher Yoshimotos ins Italienische übersetzt hat.

Der Banana-Yoshimoto-Stil

Wie er schreibt, hat Banana Yoshimoto mit „Kitchen“ einen Erzählstil gefunden, der für Japan damals etwas Neues war.

Man wartete vor allem auf Stimmen, die von der Sensibilität der neuen Generation zu erzählen vermochten: von manga (Comics) und dem Fernsehen genährt, ästhetikbesessen, der Politik gegenüber gleichgültig, für ökologische Fragen aber aufgeschlossen. Junge Leute, die das Misstrauen der Mütter und Väter in die Möglichkeiten gesellschaftlicher Veränderungen übernommen hatten, ohne dass sich deren Wut und Kampfgeist auf sie übertrug.

Armitrano ordnet in seinem Essay ein, wie Yoshimoto ihre neue Vorstellung von Ästhetik in Text überträgt und welche großen Sprünge parallel einige Manga-Genres in den 1980er Jahren gemacht hatten. Vor allem die Manga für Mädchen und Frauen hatten sich zu einem eigenständigen und kraftvollen Genre entwickelt und die Figur der Eriko hat ihr Vorbild möglicherweise ebenso in einem Manga wie der szenische Stil, mit dem Yoshimoto das Innenleben ihrer Figuren spiegelt.

Er erzählt von einer Generation, deren Kultur und Wahrnehmung inzwischen auch von Fernsehdramen geprägt wurde, die ihre textliche Entsprechung aber eben noch nicht in der Literatur wiedergefunden hatte. Genau diese Lücke zu füllen, so Armitrano, sei die Leistung von Yoshimoto gewesen. Wer heute Interesse an Banana Yoshimoto hat, für den ist „Kitchen“ vor allem dank dieses abschließenden Essays eine Empfehlung.

Bibliografische Angaben

Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-22700-0 (Taschenbuch)
ISBN: 978-3-257-26113-4 (Diogenes Deluxe)
Originaltitel: Kitchen (キッチン)
Erstveröffentlichung: 1988
Deutsche Erstveröffentlichung: 1992
Übersetzung: Wolfgang E. Schlecht

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