Ein Austauschprogramm macht’s möglich: Inspektor Kenjiro Takeda, Mitglied der Mordkommission in Tokyo, ermittelt in Hamburg. Die japanische Polizei möchte sich im Ausland informieren und gegebenenfalls sinnvolle Elemente in die eigenen Arbeit übernehmen. Takeda zur Seite steht die Kriminalhauptkommissarin Claudia Harms. Nachdem die beiden bereits ein Mal zusammen gearbeitet haben (Inspektor Takeda und die Toten von Altona), klappt das mit der Abstimmung inzwischen wohl ganz gut und die beiden formen schon ein passables Team.
Zuviele Todesfälle in der letzten Zeit hängen mit einer neuen Droge zusammen: Crytal Meth, von den Japanern Shabu genannt, von den Pharmakologen Methamphetamin. Einst von einem Japaner als medizinisches Präparat entwickelt, später im Kriegseinsatz, um die Soldaten wach und angstfrei zu halten, dann wegen der schweren und teils irreversiblen Nebenwirkungen nur noch reguliert in kontrollierten Dosen erhältlich. Und heute eine illegale Droge, die Menschen innerhalb kurzer Wochen gesundheitlich ruinieren kann.
Ein Sezieren der Möglichkeiten
Als der frühere Internetunternehmer und heutige Business Angel Markus Sassnitz stirbt und Crystal Meth in seiner Wohnung gefunden wird, sieht alles danach aus, als ob auch Sassnitz‘ Tod mit der neuen Droge zusammen hängen könnte. Ihr Auftauchen in Hamburg ist neu und in die Drogenhändler der Stadt sind nervös. Keiner weiß, wo das Zeug herkommt und wer damit handelt. Allerdings widerspricht die Spurenlage der Vermutung. Und so gibt es am Ende zwei Theorien: Entweder ein klassisches Motiv aus der Sparte Eifersucht, Liebe und Hass oder aber eines, das aus der Drogenszene kommt. Harms und Takeda versuchen, Aussagen und Spuren korrekt zusammenzusetzen und eine der Theorien zu verifizieren.
„Weil es kein Unfall war und auch keine Unfallflucht. Wir haben es mit einem Mord zu tun. Dieser Mann, Markus Sassnitz, wurde gezielt und mit voller Absicht überfahren.“ Claudia feixte. „Na, Ken. Sehen Sie wieder einmal etwas, das wir anderen nicht sehen?“ Der Japaner deutete eine Verbeugung an. „Nein, ich sehe dasselbe wie Sie. Aber ich ziehe möglicherweise andere Schlüsse daraus.“
Henrik Siebold, der selbst lange in Japan gelebt hat, hat einen soliden und flüssig geschriebenen Krimi in Hamburg platziert. Die Zusammenhänge ergeben schlussendlich ein komplexeres Bild als zu erwarten gewesen wäre. Die japanischen Elemente sind bunt verstreut und erinnern immer wieder daran, dass Takeda aus Tokyo stammt. Da ist zum Beispiel Sassnitz‘ Ehefrau, die dem Bildhauer Katsura Funakoshi förmlich verfallen ist und sich mit seinen Skulpturen umgibt, als sei es ihre Familie. Ganz klar, dass sie Takeda sofort sympathisch ist. Oder es gibt Takedas Eigenart, mit Leuten aus der Unterwelt zu verkehren. Ein Usus, der in Japan zum typischen Informationsaustausch gehört, während es hier sowohl bei den Bossen als auch der Polizei Misstrauen auslöst.
Ich bin froh drum, dass man’s mit den japanischen Klischees nicht allzusehr übertreibt (siehe auch das Cover, dass nicht gleich klatschrot nach japanischer Flagge schreit) und gleichzeitig doch einen netten Aufhänger hat für ein Unterscheidungsmerkmal zu anderen Krimiplots. Alles in Allem flüssig und flott, spannend und unterhaltsam. Nicht zuletzt, weil das Thema Drogen eben ein universelles ist und Siebolds Szenario gar nicht so weit weg von den Problemen ist.
Soundtrack zum Buch: „Musik? Natürlich. Aber nicht schön. Sondern kratzend, schreiend, um sich schlagend!“
Cole Porter – Night and Day (Filmausschnitt mit Fred Astaire & Ginger Roger – schön)
Charlie Parker – Anthropology (schreiend)
Stan Getz – Misty (melancholisch)
Miles Davis – So what (kratzend)
John Coltrane – Equinox (entspannt)
Bibliografische Angaben
Verlag: Aufbau
ISBN: 978-3-84121-307-5
Erstveröffentlichung: 2017
Bestellen bei genialokal.de* / buchhaus.ch* / osiander.de* / orellfuessli.ch* / medimops.de* / amazon.de* (*Affiliate-Links)