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Jiro Taniguchi, Masayuki Kusumi – Der Gourmet

Jiro Taniguchi, Masayuki Kusumi – Der Gourmet

Jiro Taniguchi - Der Gorumet

Eine Sushi-Bar in Kichijoji, geröstete Manju in Takasaki, Oden mit Reis im Park von Shakujii, gedünstete Shumai im Shinkansen… Als Handlungsreisender kommt der Mann viel herum ‒ und er hat Hunger. Er schätzt die einfache, traditionelle Küche, lässt sich aber auch gern überraschen ‒ sowohl von der Mahlzeit, als auch vom Ort, an dem er sie zu sich nimmt. Allein, ungebunden und ohne konkretes Ziel durchstreift er die Stadtviertel und genießt japanische Gastlichkeit mit allen Sinnen. Jiro Taniguchi bittet zu Tisch! In achtzehn Episoden seines kulinarischen Reiseführers lässt er den Titelhelden auf den Spuren guten Geschmacks wandeln. An jedem Ort ein Essen, zu jedem Essen ein Ort. Ob in einem kleinen Lokal, im Sportstadion, im Restaurant am Meer oder als Picknick im Park ‒ der Gourmet versteht sie: Die Kunst, allein zu genießen.

Rezension

Für diese Graphic Novel arbeiteten zwei der bekanntesten Mangakünstler des Landes zusammen: Jiro Taniguchi und Masayuki Kusumi, der unter anderem auch als Autor, Schauspieler und Musiker unterwegs ist. In einem Vorwort erzählt Lars von Törne, wie das Buch zustande kam: Taniguchi zeichnete die Bilder nach Kurzgeschichten von Kusumi.

Beide Künstler haben eines gemeinsam: Sie sind in ihren Darstellungen sehr realitätsnah. Kususmi versorgte Taniguchi mit Fotos von seinen Schauplätzen — hätte er es nicht getan, wäre der ebenso detailverliebte Taniguchi ohnehin zum Nachschauen gefahren. Auf diese Weise erzählt Der Gourmet nicht nur die Geschichte des Händlers Gorō Inogashira, der während seiner Touren und Fahrten Restaurants für die Verpflegung zwischendurch sucht. Es ist in gewisser Weise ein kleiner Gastroführer. Der Nachteil davon ist, dass man im baubegeisterten Japan nicht sicher sein kann, ob die Lokale die Jahre überdauern konnten oder inzwischen Neubauten weichen mussten (eine vergebene Suche erlebt Inogashira übrigens im Ginza-Viertel selbst). Immerhin, die japanischen Originale erschienen als Serie etwa Mitte der 1990er Jahre. Richtig populär wurden sie durch ihre Verfilmung viele Jahre später. Wieviele Originalschauplätze heute wohl noch existieren?

Inogashiras Besuche sind fast immer Zufallsfunde, jedes Mal kommen andere Spezialitäten zum Zug. Selbst im Convenience Store um die Ecke greift er nicht zu den immer gleichen Standards, sondern lässt sich von seiner aktuellen Laune durch die Regale führen (erstaunlich, was er alles verdrücken kann).

Inogashira ist ein stiller Beobachter, der nie so richtig Kontakt zu seinen Mitmenschen aufnimmt. Diese Distanz fiel in einigen Buchbesprechungen auf und wurde in der Regel recht negativ aufgenommen. Aus einer europäischen Perspektive heraus scheint das so zu sein. Zeichnet ein Japaner für Japaner, sieht das etwas anders aus. In einem Land, in dem für Alleineesser sogar Ichiran entwickelt wurden (Ramen-Restaurants, in denen Trennelemente die einzelnen Plätze separieren), kommen Fremde im Restaurant nicht unbedingt miteinander ins Gespräch. Die Rolle des Beobachters ist viel eher ein typischer Weg, sich mit neuen Restaurants und deren Stammgästen vertraut zu machen. Erst, wenn man mehrfach kommt, mag sich die Situation ändern.

Sehr positiv fällt auf, wie präzise die Mahlzeiten selbst gezeichnet sind. In manchen Geschichten zeigt Taniguchi das komplette Tablett aus der Vogelperspektive, teils noch mit Preisen dabei — die Zeichnung übernimmt die Funktion der täuschend echten Kunststoffmahlzeiten, die in zahlreichen Restaurants im Schaufenster die Funktion der Speisekarte übernehmen.

Das Buch schließt mit einem Text von Kusumi, der von Taniguchi nicht zum Manga umgesetzt wurde. Ist es doch ein Essay darüber, wie Kusumi selbst auf fremde Restaurants zugeht, wenn er in der Fremde unterwegs ist. Ein bisschen ist er wie seine Hauptperson, ein bisschen auch nicht. Doch beide eint die Entdeckungslust, die auch dann nicht abhanden kommt, wenn kulinarisch ein Versuch nicht ganz so blendend ausgeht. Aus genau diesem Grund ist mir das Buch auch besonders sympathisch.

Bibliografische Angaben

Verlag: Carlsen
ISBN: 978-3-551-76867-4
Originaltitel: Kodoku no gourmet, 孤独のグルメ
Erstveröffentlichung: 1994-1996
Deutsche Erstveröffentlichung: 2014
Übersetzung: John Schmitt-Weigand

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