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Nii Parkes – Die Spur des Bienenfressers

Nii Parkes – Die Spur des Bienenfressers

Nii Parkes - Die Spur des Bienenfressers

In einem kleinen Dorf in Ghana ist eine junge Frau mit Chaffeur unterwegs. Begeistert folgt sie zunächst einem bunt gefiederten Bienenfresser, als sie einen merkwürdigen Gestank wahrnimmt. Sie wechselt die Fährte und entdeckt in einer der Hütten eine seltsame rote Masse, die sich bewegt. So schnell die junge Frau gekommen ist, so schnell verschwindet sie schreiend auch wieder. Für die Leute im Dorf hätte sich die Sache damit erledigen können.

Doch die junge Frau ist die Geliebte eines Minsters und der wiederum trommelt die Kavallerie zusammen. Innert Stunden taucht die Polizei auf und will Genaueres wissen. Doch das komische „Ding“ ist nicht einmal für den herbeigerufenen Pathologen identifizierbar. Um vor dem Minister glänzen zu können und damit seine eigene Karriere voranzubringen, leiert ein hoher Inspektor weitere Untersuchungen ein. Seine Wahl fällt auf Kwadwo Okai Odamtten, genannt Kayo. Der junge Mann ist Mediziner, studierte in London und arbeitete in England als Tatortspezialist.

„… so was sieht man nicht alle Tage“

Bis hierher klingt das alles recht geradlinig. Mysteriöser Todesfall im abergläubischen Hinterland wird von westlich ausgebildetem Mediziner gelöst? Nein. Schlicht und einfach nein. Nii Parkes vermischt geschickt die verschiedenen Lebenswelten Ghanas zu einem Kriminalroman, an dessen Ende ganz sicher Fragezeichen stehen bleiben.

Kayo spielt den einen Part: Modern, im Ausland ausgebildet und wenn er auftritt, fallen oft präzise Zeitangaben. 6.02 Uhr, 10.03 Uhr, 11.14 Uhr oder 13.56 Uhr. Er hat einen eigenen Forensikkoffer und kann Proben gar mit Flüssigstickstoff kühlen. Den anderen Part spielen der Medizinmann Oduro und besonders der Jäger Opanyin Poku. Er ist der letzte Jäger des Dorfes, niemand wird ihm nachfolgen. Das Wissen der Menschen wird von Generation zu Generation weitergegeben; die Kunst des Jagens wird, symbolisch für viele alte Werte und Tätigkeiten, aus dem Dorf verschwinden. Das Zusammeleben der Menschen wird über Sprichwörter und Rituale organisiert.

„Mit dem Burschen werden wir noch Schlimmes erleben.“

Kayo kann mit einigen ghanaischen Traditionen nach seinem Auslandsaufenthalt nicht mehr viel anfangen. Hören die Laboranten Radio, schließt er grundsätzlich die Tür, weil ihm eher nach englischsprachiger Popmusik ist. Mit nationalen Radiosendern mag er sich nicht mehr anfreunden (drei der Songs bzw. Künstler, die im Buch genannt werden, sind weiter unten unter Soundtrack zum Buch verlinkt). Umgekehrt freut er sich an der Begeisterung der Taxifahrer für einen Betonbau; jeder hupt dort und hat einen riesigen Spaß mit dem ausgelösten Echo. Kayo wird also zum Bindeglied: Er beherrscht den lokalen Dialekt und behandelt die Dorfältesten respektvoll. Dafür erlauben sie ihm im Gegenzug, seine Ermittlungen aufzunehmen. Kayo wird dabei von Jäger beobachtet und was der sich über den Tatortspezialisten aus der Stadt denkt, gehört zu den aufschlussreichsten Szenen des Buchs:

Ich schaute ihm und Mensah einfach nur zu; sie benutzten Flüssigkeiten und Papierstreifen, die ihre Farbe veränderten und Kwadwo schrieb was in sein Notizbuch von der Farbe von Cassavablättern. Er erinnerte mich an Oduro, unseren Medizinmann, der in seiner Hütte sitzt und Blätter und Rinden zerreibt und mit dem Saft von Pflanzen mischt, um daraus Medizin und Seifen und Cremes für die Kranken herzustellen. Niemand, der Oduro dabei zusieht, weiß, was er da fabriziert, aber wir alle gehen zu ihm. Wir glauben an ihn. Dasselbe Gefühl hatte ich auch Kwadwo, dessen Mutter aus Kibi kommt, wo es Gold gibt unter dem Wald.

Schnelltests, Laborpräparate und DNA-Analysen verraten Kayo so einiges darüber, was ihm die Dorfbewohner zunächst verschweigen. Trotzdem bleibt dieses „Ding“ ein Rätsel. Dummerweise ist der Inspektor völlig vernarrt in die CSI-Serien aus dem Fernsehen und will mit einem entsprechend aufgemotzten Bericht auftrumpfen. Kayo muss sich etwas einfallen lassen, denn das „Ding“ aus der Hütte entzieht sich seiner Methoden. Um den Fall zu verstehen, muss er Opanyin Poku zuhören und um den Fall zu lösen, muss er mit „CSI-Methoden“ beeindrucken.

Empfehlenswert ist auf alle Fälle das Nachwort Parkes‘: Der Autor lebte selbst unter anderem in Ghana und England und wollte bewusst von dem kulturellen Spagat zwischen Tradition und Moderne erzählen. Er erinnert im gleichen Atemzug daran, dass es keinesfalls nur in Ghana so ist, sondern dass sein Schauplatz fast überall sein könnte. Die Wissenschaft hat auch in Europa ihre Grenzen, „sonst gäbe es keinen Weihnachtsmann“, schreibt er. Auch hier ticken die Dörfer anders als die Städte. Auch anderswo tricksen Politiker oder Geschäftsleute, um ihre Pfründe zu sichern. In diesem Sinne ist die „Spur des Bienenfressers“ nicht nur ein Kriminalroman aus Ghana, sondern eine absolut lesenswerte und spannende Geschichte über Perspektiven.

Soundtrack zum Buch

Hugh Masekela – Zulu Wedding
Agya Koo Nimo – Efie ne Fie
Jewel Ackah – Grace Soronko

Bibliografische Angaben

Verlag: Unionsverlag
ISBN: 978-3-293-20564-2
Originaltitel: Tail of the blue bird
Erstveröffentlichung: 2009
Deutsche Erstveröffentlichung: 2010
Übersetzung: Uta Goridis

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