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Rex Stout – Der rote Stier

Rex Stout – Der rote Stier

Rex Stout - Der rote Stier

Seinen Orchideen zuliebe geht Nero Wolfe aus dem Haus. Er klammert sich verbissen an den Griffen fest, um die Fahrt zu einer Landwirtschaftsausstellung im New Yorker Hinterland heil zu überstehen. Das klappt nicht so ganz: Das Auto hat einen Reifenplatzer und Archie Goodwin setzt das Auto gegen einen Baum. Wie gut, dass eine Farm in der Nähe ist, wo man Hilfe holen kann.

Wolfe und Goodwin landen bei Thomas Pratt, dem wohlhabenden Besitzer einer New Yorker Restaurantkette. Jener hat gerade für satte 45.000 Dollar einen preisgekrönten Stier von einer Nachbarfarm erworben. Allerdings nicht, um auf der nächsten Ausstellung erneut Preise einzuheimsen. Der Stier soll in einer großen PR-Aktion für die Restaurantkette am Grillspieß enden.

Ein Werbesteak für 400 Dollar

Die Farmerwelt hinter New York City hat also einen äußerst unbeliebten Nachbarn unter den Ihren und es dauert nicht lange, bis der erste Tote im Zusammenhang mit diesem roten Stier namens „Hickory Ceasar Grindon“ auftaucht. Wie könnte es anders sein, ist Wolfe das Geschehen herzlich egal, obwohl er von Beginn an weiß, dass er es mit einem geschickt eingefädelten Mord zu tun hat. Die Orchideen gehen vor.

Das wird im Wesentlichen so bleiben, bis sich der Vater des Opfers an Wolfe wendet und um Hilfe bittet. Irgendwie windet sich Wolfe zwischen Orchideenausstellung und Ermittlung hin und her, besprüht regelmäßig die Pflanzen, damit sie keinen Schaden nehmen und stellt nebenher seine Fragen. Das gerät ebenso anstrengend wie zum Beispiel bei Zu viele Köche, denn seine Abreise will der Privatdetektiv auf keinen Fall verschieben. Allerdings hat er ein ernsthaftes Problem: Ihm steht, anders als in New York, außer Archie Goodwin keine Hilfe zur Verfügung und, schlimmer noch, er benötigt handfeste Beweise für seine Verdacht. Davon gibt es aber ganz schnell und ganz plötzlich keine mehr.

Ein Stubenhocker auf Reisen

Irgendwo habe ich mal gelesen, Wolfe habe in all den Jahren nur zwei Mal sein Brownstone für eine längere Reise verlassen. Wie es der Zufall will, sind beide Fälle nach nur drei Neuübersetzungen wieder zu haben: Der eine ist eben dieser Stier, der andere der bereits erwähnte Fall mit den Köchen. Nach den dort eingeflochtenen Beobachtungen zum amerikanischen Rassismus sowie der Konfrontation mit dem FBI (Es klingelte an der Tür) kümmert sich Stout hier um die Landwirtschaft. Speziell die Vieh- und Milchwirtschaft. Rein theoretisch würde es reichen, von den Farmen Milchprodukte und Fleisch zur Versorgung zu bekommen. Doch die Farmer machen aus der Tierhaltung eine riesige Show. Wer hat die schönste Kuh? Wer hat den schönsten Bullen?

Was Nero Wolfe bei seinen Orchideen treibt, können die Farmer schon lange. Kreuzungen ausprobieren, die Züchtungen anderer Farmer gering schätzen, Knospen zählen die einen, preisgekrönte Kälber die anderen. Um den Mörder zu finden, lässt sich Wolfe zwischenzeitlich vom Vorsitzenden des Züchterverbands aufzählen, was einen Bullen wie Hickory Ceasar Grindon so wertvoll macht: 22 Kategorien mit insgesamt 100 Punkten, für den Hals 3, die Hörner 1, Hüfte 2, Widerrist 3 und so weiter … Die Punkte taxieren den Wert und machen aus der Viehwirtschaft eine Kunst für sich, die weit über das nötige Maß hinausgeht. Nur so kann aus einem Stier ein Politikum werden, dass einen nationalen Aufstand gegen Pratt auslöst.

Der Züchter an sich – eine unerfoschte Spezies

Wer genau hinguckt merkt auch, dass Stout seinen Wolfe in derselben Hinsicht vorführt (wenn auch nur auf einer Seite, die Viehzüchter ein ganzes Buch lang). Überhaupt: Wer lässt schon einen Sprühbehälter für die Orchideen nach eigenen Bauplänen anfertigen? Bereits leer zehn Pfund schwer, mit Elektromotor und Kompressionskammer? Wolfe ist mit seinen Orchideen nur deshalb nach Crowfield gefahren, um einem anderen Züchterkollegen eines auszuwischen. Beide züchten Weißlinge, der andere allerdings ist nicht bereits, Pflanzen zu tauschen. Also sollen die Klingen auf der Prämierung gekreuzt werden, Wolfe wohl wissend, dass er den Hauptpreis einfahren wird.

Die Behörden stellen sich im Fall etwas quer. Immerhin macht der Stier an sich schon genug Ärger und die Lokalpolitik ist auch nicht zu unterschätzen. Die Fronten liegen unverrückbar und eine alternative Lösung des Falls könnte den lokalen Frieden gefährden, vielleicht auch das Leben unnötig verkomplizieren. Nero Wolfe bringt die Sache allerdings auf den letzten Drücker ins Reine und zeigt, dass die Folgen der Prämienjagd nicht nur in der Causa Pratt nicht zu unterschätzen sind.

Ich kehre kurz zu Ihrem Einwand gegen meine Komödie zurück: Sie haben sie verdient, weil Sie sich selbst wie zwei Komiker verhalten. … Habe ich Wörter benutzt, die zu lang für Sie waren?

Bibliografische Angaben

Verlag: Klett-Cotta
ISBN: 978-3-608-11030-2
Originaltitel: The Red Bull
Erstveröffentlichung: 1939
Deutsche Erstveröffentlichung: 1955
Übersetzung: Conny Lösch

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