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Oscar de Muriel – Die Schatten von Edinburgh

Oscar de Muriel – Die Schatten von Edinburgh

Oscar de Muriel - Die Schatten von Edinburgh

Edinburgh, 1888. Der begnadete Ermittler Ian Frey wird von London nach Schottland zwangsversetzt. Für den kultivierten Engländer eine wahre Strafe. Als er seinen neuen Vorgesetzten, Inspector McGray, kennenlernt, findet er all seine Vorurteile bestätigt: Ungehobelt, abergläubisch und bärbeißig, hat der Schotte seinen ganz eigenen Ehrenkodex. Doch dann bringt ein schier unlösbarer Fall die beiden grundverschiedenen Männer zusammen: Ein Violinist wird grausam in seinem Heim ermordet. Sein aufgelöstes Dienstmädchen schwört, dass es in der Nacht drei Geiger im Musikzimmer gehört hat. Doch in dem von innen verschlossenen, fensterlosen Raum liegt nur die Leiche des Hausherren.

Rezension

Für Inspector Ian Frey hat der Leiter von Scotland Yard, Sir Charles Warren, im November 1888 schlechte Nachrichten: Warren musste auf Geheiß des Premierministers seinen Rücktritt einreichen. Der Neue, James Monro, wird Frey höchstwahrscheinlich gleich mit auf’s Abstellgleis schicken. Doch es kommt schlimmer: Monros Alternative zum Rauswurf ist Freys Versetzung nach Schottland. Schottland ist für den versnobten Frey eine Katastrophe. Er könnte theoretisch ablehnen, sich um die Familienvermögen kümmern und auch davon leben, aber die Arbeit bei der Polizei bringt dem Dandy erstmals Erfüllung. Seine unsympathische Familie schafft zusätzliche Motivation, die Koffer nach Edinburgh zu packen.

Während in London Jack the Ripper Angst und Schrecken verbreitet, wurde in Edinburgh ein Musiker grausam ermordet und Frey soll an der Seite des ansässigen Inspector McGray jenen Fall lösen. Bei einem Mord aber bleibt es nicht und die beiden Inspektoren geraten unter heftigen Druck. Auch in Edinburgh weiß man natürlich vom Londoner Ripper und fürchtet Nachahmer in der Stadt.

Das Buch spielt 1888 und nimmt den Leser nicht nur mit in schlammige Straßen und düstere Kneipen. De Muriel ist selbst Violinist und erklärt im Roman den historischen Geigenbau und die Entwicklung des Geigenspiels. Und als Naturwissenschaftler, der er beruflich ist, nimmt er den Leser mit in die Geschichte der Medizin und zu den Ängsten (die heute so niederträchtig und schreckhaft erscheinen) vor unerklärlichen Phänomenen.

De Muriel lässt McGray und Frey rauh aufeinandertreffen, um kurz danach die Sympathien zu verwirbeln. Ist Frey noch zu Beginn eine unter der Familie und dem knapp abgewendeten Rauswurf leidende Identifikationsfigur, wird er bald zum schnöseligen Schickimicki. Das macht die Familie zwar nicht besser und seine beruflichen Leistungen keinesfalls geringer, aber man merkt ihm den verwöhnten Londoner Geck bei jedem Schritt an (übrigens: den noblen New Club, in dem Frey gerne diniert, gibt es wirklich – bis heute). Im Gegenzug lernt man McGrays hemdsärmelige Art geradezu lieben. So wahnsinnig verschroben, wie er beschrieben wird, ist er keineswegs. Bei den McGrays gibt es eine tragische Vorgeschichte und so, wie de Muriel sich hier in Sachen Wissenschafts- und Medizinhistorie präsentiert, tippe ich darauf, dass diese Vorgeschichte in einem weiteren Band auf den Tisch kommen wird.

Linktipp: Zwar bringt die Zeitreise Edinburgh vor 470 Jahren uns nicht in das richtige Jahrhundert, aber trotzdem ist die Animation des historischen Edinburgh sehenswert. Basierend auf alten Zeichnungen, kombiniert mit archäologischen Daten und nach Rücksprache mit Kunst- und Architekturexperten, haben Forscher die alte Stadt rund um Royal Mile und Grassmarket rekonstruiert.

Bibliografische Angaben

Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-44248-505-5
Originaltitel: The strings of murder
Erstveröffentlichung: 2015
Deutsche Erstveröffentlichung: 2017
Übersetzung: Peter Beyer

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