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Yann Martel – Schiffbruch mit Tiger

Yann Martel – Schiffbruch mit Tiger

Der kleine Pi Patel tritt mit seiner Familie die Überfahrt in eine neue Heimat an. Allerdings geschieht ein Unglück: Das Schiff sinkt und außer ihm und einer Handvoll Tiere überlebt keiner. Mit Pi im Rettungsboot sitzen eine Hyäne, ein Orang-Utan, ein Zebra und ein 450 Pfund schwerer bengalischer Tiger namens Richard Parker. Bald herrscht „Schiffbruch mit Tiger“ im Wortsinn: Der Tiger tötet langsam aber sicher alle anderen Tiere. Nur Pi ist noch am Leben. Wochenlang treibt er mit dem Rettungsboot auf dem Meer und braucht eine Überlebensstrategie. Denn er muss nicht nur selbst satt werden, sondern sich auch vor dem Tiger in Acht nehmen.

Ein fantastisches Buch — soviel Lob gleich vorneweg. Und das bei einem Thema, dass eher an Mutlosigkeit und Verzweiflung denken lässt. Wie stark Martel daraus ein hoffnungsvolles Buch machte, davon ließen sich 2002 auch die Juroren des Booker Prize beeindrucken und kürten den Roman zum Sieger.

Martel hat einen sehr unterhaltsamen und lebhaften Schreibstil, er lässt keine Längen aufkommen und kondensiert 227 Tage überlebenskampf zu einer Mischung aus Unglück, Zufall, Scheitern, Glück und Zuversicht. Selbst wenn Pi auf dem unendlichen Ozean stunden- oder tagelang leidet, kann der Leser mit ihm empfinden, ohne unendlich deprimiert zu sein. Pi findet aus seinen schweren Stunden immer wieder heraus und meistert seine Situation mit einer ungewöhnlichen Durchhaltekraft und Weisheit. Er lernt, Trinkwasser zu gewinnen, Fische zu fangen und zuzubereiten und findet in diesen täglichen Routineabläufen immer wieder einen Ruhepol.

Yann Martel - Schiffbruch mit Tiger

Hoffnung und Zuversicht

Auf ganz wenigen Seiten gelingt Martel dann ein überraschendes Ende und „Schiffbruch mit Tiger“ erhält eine zusätzliche Dimension. Wer die Geschichte als Geschichte liest, wird bestens poetisch und lebhaft unterhalten. Wer die Geschichte als Parabel versteht, spürt am Ende, woran Martel mit seinem Buch apelliert. Einen Hinweis darauf versteckt Martel bereits in der Biografie von Pi. Er ist Sohn eines indischen Zoobesitzers und praktizierender Hindu, Christ und Muslim. Klingt nicht bereits das nach großzügig gelebter Toleranz?

Egal, wie man diesen Roman liest: Alle erleben eine höchst abwechslungsreiche, fantasievolle und wunderschöne Geschichte, die vielleicht zu einem zweiten Durchgang verleitet. Wer sich von den expliziten Hinweisen auf religiöse Inhalte im Klappentext abschrecken ließ, kann sich dennoch ans Buch wagen. Es gibt keine ausufernden Betrachtungen (wie sie zum Beispiel Ecos „Der Name der Rose“ charakterisieren). Der kleine Pi wächst einfach und selbstverständlich mit drei Religionen im engen Umfeld auf und schildert deren Eigenheiten und Traditionen. Nie setzt das Buch die eine über die andere oder wertet sie in irgendeiner Form. Es wird viel eher deutlich, dass Martel alle Religionen gleichermaßen schätzt, allerdings ihre irdischen Vertreter mit ihren Exklusivitätsansprüchen zwischen den Zeilen ein bisschen vorführt.

Link: Trailer der Verfilmung von 2012

Bibliografische Angaben

Verlag: Fischer
ISBN: 978-3-596-15665-8
Originaltitel: Life of Pi
Erstveröffentlichung: 2002
Deutsche Erstveröffentlichung: 2003

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