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Shugoro Yamamoto – Die Rache

Shugoro Yamamoto – Die Rache

Die Reihe kleiner Buchperlen wird mit diesem dünnen Büchlein zwar nicht nennenswert dicker, aber ganz sicher nennenswert bereichert. Und das will bei nicht einmal 60 Seiten Geschichte schon etwas heißen. Dabei hat „Die Rache“, 1952 geschrieben von Shugoro Yamamoto, eine vergleichsweise einfache Ausgangslage.

Der Vater des jungen Iwata arbeitet als Koch auf der Burg Kumamoto und kommt bei einem Anschlag auf den berühmten Schwertkämpfer Miyamoto Musashi ums Leben. Iwata, ohne feste Arbeit und mit Schulden belastet, wird bei der Totenwache nach einem Streit aus dem Elternhaus geworfen und beschließt daraufhin, Bettler zu werden. Die Wahl seiner Unterkunft aber macht aus ihm einen Rächer. Iwatas Hütte liegt zufällig am Weg zu Miyamotos Landsitz und jeder Einwohner der Stadt glaubt daher, dass der Sohn gekommen ist, um den Tod des Vater zu vergelten. Aus Iwata wird von heute auf morgen ein geachteter Mann, der Geschenke erhält und der selbst vor den Augen Miyamotos zu einem ebenbürtigen Gegner wird.

Der Kodex des Schwertes

Yamamoto, der viele historische Romane und Erzählungen geschrieben hat, geht in „Die Rache“ zurück ins Jahr 1645, eine hierarchisch geregelte Zeit. Die Zeit, in der Bauern ein hohes Ansehen genossen, weil sie mit ihrer Arbeit für das Überleben aller sorgten, ist in Japan Vergangenheit. Mit ihrer zum Mythos verklärten Haltung genießen längst die Krieger höchstes Ansehen. Iwatas Vater hatte auch für den Sohn die Laufbahn eines Samurai vorgesehen, der sich Iwata allerdings nach Kräften wiedersetzt hatte.

Von daher ist es kein Wunder, dass Iwatas Hüttenbau den Menschen solche Achtung einflößt. Wer sich offenbar so ehrenvoll für die Familie einsetzt, lebt in ihren Augen die ritterliche Haltung mit ganzem Herzen. Nicht wenige wissen, dass Iwata Samurai werden sollte; jetzt scheint er mit diesem Weg Ernst zu machen. Nur bei Iwata stößt das ganze System auf Unverständnis. Er kritisiert Miyamotos Mord und hält den Vater für einen Dummkopf.

Der Narr wird zum Schlaueren

Die Szenerie wirkt mit diesem Kontrast zwischen Iwata und den anderen bisweilen komisch. Alleine die Haltung, die Iwata zugeschrieben wird, lässt sein Ansehen steigen. Dabei hat sich der junge Mann kein bisschen verändert und möchte lieber Koch werden als alles andere. Seine Sprüche über Miyamoto haben etwas vom vorwitzigen Kind in „Des Kaisers neue Kleider“. Iwata ist schlau genug, zu den richtigen Anlässen ernst zu schauen und sich heimlich über das Absurde der Situation kaputt zu lachen. Noch vor wenigen Tagen warf ihm der Bruder vor, weniger wert zu sein als ein Bettler und nun steht er als Bettler auf Augenhöhe mit der Polizei, den Wirten und gar dem fürstlichen Haushalt.

Ob sie so gedacht war oder nicht, die Erzählung wirkt auf mich wie eine Fabel, mit der Shugoro Yamamoto am Lack einer Gesellschaft kratzt, in der wenig hinterfragt wird. Und Iwata nimmt mit etwas Glück und viel Geduld das Beste aus der ganzen Situation mit.

Ein Stück von Iwata scheint auch in Shugoro Yamamoto selbst zu stecken. Der erfolgreiche Schriftsteller, von dem viele Werke verfilmt oder für die Bühne adaptiert wurden, verzichtete zeitlebens auf sämtliche Auszeichnungen. Das Lob der Leser sei ihm immer genug gewesen. Ironischerweise wurde er 1988 selbst zum Namensgeber eines Literaturpreises.

Das Buch ist übrigens nicht nur auf Grund seiner wunderbar erzählten Geschichte ein Buchschatz. Der Verlag hat sich für eine hochwertige Ausstattung mit Halbleineneinband entschieden und illustriert das Buch mit mehreren Zeichnungen von Hideki Nagai. Nagai ist für seine Samurai-Zeichnungen bekannt und mit den für das Buch ausgewählten Werken lässt „Die Rache“ eine kraftvolle Stimmung aufkommen. Rundum eine große Leseempfehlung.


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Bibliografische Angaben

Verlag: Cass Verlag
ISBN: 978-3-944751-18-4
Originaltitel: Yo Jō
Erstveröffentlichung: 1952
Deutsche Erstveröffentlichung: 2020
Übersetzung: Katja Cassing

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