Eine vergiftete Praline kostete Mrs. Bendix das Leben. Doch Scotland Yard tappt im Dunklen. Chefinspektor Moresby verfällt deshalb auf die Idee, den „Kriminalzirkel“ um Hilfe zu bitten. Den leitet Roger Sheringham und der Zirkel nimmt nicht jeden: Bisher haben nur fünf Mitglieder die Aufnahmeprüfung geschafft. Moresby hofft also durchaus zu Recht, dass die Rätselfanatiker ihm helfen können. Sollen die sich doch die Zähne an einem Fall ausbeißen, der für die Polizei bisher unlösbar ist.
Die Pralinen für Sir Eustace Pennyfather waren vergiftet, jedoch aß der Schürzenjäger die dreiste Gabe nicht selber, sondern gab sie an Mr. und Mrs. Bendix weiter. Während Mr. Bendix mit ärztlicher Hilfe den zweifelhaften Genuss überlebte, verzehrte Mrs. Bendix deutlich mehr Pralinen und verstarb. Und weiter als bis zu diesem Punkt ist die Polizei im Wesentlichen nicht gekommen. Moresby stellt dem Kriminalzirkel alle bekannten Fakten zur Verfügung und überlässt die Mitglieder sich selbst.
Dieser Beginn von Anthony Berkeley machte mich neugierig: Es gibt mehrere Möglichkeiten und die Polizei hat sicher viele Spuren verfolgt. Und doch steht sie mit leeren Händen da. Können die sechs Hobby-Kriminologen da tatsächlich etwas ausrichten? Interessanterweise finden sie durch Gespräche, Indizien und Schlussfolgerungen eine ganze Menge Möglichkeiten heraus. Jeder benennt einen anderen Täter, jeder hängt seine Theorie an anderen Fakten auf und das Chaos ist perfekt. Vielleicht sah es bei der Polizei ja genau so aus? Wäre da nicht eine Variante, auf die Mr. Chitterwick zur Lösung hinweist.
Raffiniertes Spiel mit der Logik
Angesichts der drei Autoren, Krimischriftsteller und Dramatiker im Kriminalzirkel zwickt Anthony Berkeley dem gesamten Kriminalroman in die Seite. Er lässt uns über Chitterwick wissen, dass Autoren der Einfachheit halber gerne davon ausgingen, dass ein Fakt nur eine einzige Schlussfolgerung zuließe – folglich die richtige – und damit weitab von der Realität lägen. „So schlimm?“ könnte man fragen. Doch die Idee funktioniert hervorragend, denn all die Theorien klingen plausibel, jeder kann den anderen widerlegen und ich hatte jede Menge Spaß am Mitraten. Klar, dass ich von Beginn an selber auf eine bestimmte Lösung zusteuerte und am Ende doch nur halb richtig lag.
Der Fall mit den Pralinen ist in doppelter Hinsicht clever gemacht. Zum einen schlicht deshalb, weil es eben ein Whodunit zum Mitraten ist. Zum anderen, weil er so aufgebaut ist, dass er zahlreiche Möglichkeiten zulässt, die der Leser detailliert aufgelistet bekommt. Wie Lars Schafft in seinem Nachwort anmerkt, wird das Verbrechen vor diesem Hintergrund von der schändlichen Gräueltat zum kniffligen Puzzle, ein typisches Merkmal des „Golden Age“-Krimis, wie er feststellt. Für mich wird die Bekanntschaft mit Berkeley Anlass dazu, die Bücherschränke bei Verwandten zu durchforsten. Ich kenne da jemanden mit vielen Krimiklassikern im Regal ….
Bibliografische Angaben
Verlag: Fischer
ISBN: 978-3-59618248-0
Originaltitel: The poisoned chocolates case
Erstveröffentlichung: 1929
Deutsche Erstveröffentlichung: 1962
Übersetzung: Ulrike Brauns