Bingo-Pannen und ihre Geschichte

von Bettina Schnerr
3 Minuten Lesezeit

Vor wenigen Monaten habe ich ein Übersetzungsbingo begonnen — mein Versuch, kommende Übersetzungen aus dem Japanischen ins Deutsche vorherzusagen. Aktuell kann ich nur Kikuko Tsumura als Erfolg verbuchen, deren Bingo-Tipp im Oktober 2025 bei Eichborn erscheinen wird. Doch bin ich zuversichtlich, dass sich die Liste verlängern wird.

Allerdings gibt es in meinem Bücherregal auch Titel, bei denen ich, wenn man so will, falsch gelegen habe. Diese Bücher habe ich mir (mit einer Ausnahme) auf Englisch beschafft, weil ich dachte „die bekomme ich sicher niemals auf deutsch“. Die Zahl englischer Übersetzungen aus dem Japanischen übersteigt freilich die der deutschen, weil der Markt schlicht sehr viel lohnender ist. Rein aus statistischen Gründen war es also keine allzu schlechte Ausgangslage für einen Kauf der englischen Fassung. Nun, bei diesen sechs Titeln habe ich falsch gedacht. Andererseits aber freut mich selbst eine Fehleinschätzung. Vor allem dann, wenn ich selbst Freude am Roman hatte und sich die Freude nun verteilen lässt.

„Daneben“ getippt …


Toshikazu Kawaguchi – Before the coffee gets cold / Bevor der Kaffee kalt wird
Unter den aufgeführten Romanen war dies der erste, der plötzlich in zwei Sprachen im Haus Schnerr auftauchte. Mein englischer Einkauf liegt schon eine Weile zurück. Aber ich kam nicht sofort dazu, das Buch zu lesen. Er steht immer noch ungelesen im Regal, obwohl ich praktisch jeden Tag mit guten Vorsätzen daran vorbeigehe. Eines Tages wurde ich von Kind1 gefragt, ob ich den „Roman mit dem kalten Kaffee“ kennen würde. Na klar! Es stellte sich heraus, dass sich Kawaguchi inzwischen zum Tiktok-Hit entwickelt hatte und besagtes Kind sich die (sich vermutlich daraus ergebende) deutsche Übersetzung beschafft hatte. Nun haben Mutter und Kind ein jeweils ungelesenes Kalter-Kaffee-Buch im Regal und gehen jeden Tag gemeinsam mit guten Vorsätzen daran vorbei.



Michelle Mackintosh – Pretend you’re in Tokyo / Tokio to go
Vielleicht muss man manche englischen Buchtipps einfach ein oder zwei Jahre reifen lassen, bevor man sie kauft? In diesem Fall folgte die Übersetzung jedenfalls recht kurzfristig auf das Original. Da Mackintosh beim Prestel Verlag einen festen Platz zu haben scheint (siehe Train Japan), sollte ich bei ihr vielleicht tatsächlich einfach abwarten, wenn es mich interessiert.



Seishi Yokomizo – The Inugami Clan / Der Inugami-Fluch
Zwischen meiner Lektüre und der Übersetzung liegt ein ganzes Jahrzehnt. Während meiner Zeit in Tokyo galt Yokomizo bereits als Klassiker und wurde mir wärmstens von einer amerikanischen Bibiothekarin ans Herz gelegt. Sie hatte mir schon Barry Lancet empfohlen und mit mir über Jonathan Gash „gefachsimpelt“. Selbstverständlich griff ich auch bei dieser Empfehlung zu. Nach meiner Rückkehr nach Europa habe ich Yokomizo allerdings aus den Augen verloren, bis der Aufbau Verlag die deutsche Krimiserie startete. Jetzt muss ich definitiv immer nur warten, bis ein neuer Band erscheint.

Yukiko Motoya – Picnic in the Storm / Die einsame Bodybuilderin
Unter den vorgestellten Büchern hat mich das von Motoya am meisten irritiert. Das englische Exemplar besaß ich bereits eine Weile und war recht happy, dass ich eine neue, unübersetzte Stimme aus Japan im Regal hatte. Irgendwann tauchte Motoya auch beim Aufbau Verlag auf. Ich ergänzte mit deren Buch naiv meinen Fundus – nur um irgendwann festzustellen, dass es sich um exakt dieselben Kurzgeschichten handelte. In diesem Fall stiftete ich mein englisches Taschenbuch einem Bücherbasar für einen guten Zweck. Ich kann schließlich nur eines der beiden Bücher lesen, finde ich.


Keigo Higashino – 白夜行 / Unter der Mitternachtssonne
Dieser Titel fällt insofern aus der Reihe, da mein Original direkt aus Japan stammt. In einem book-off vor dem Higashino-Abschnitt vor dem Regal stehend, habe ich recherchiert, welche Titel noch unübersetzt waren. Quasi als besonderes Souvenir. Ich kannte bereits The devotion of suspect X und Malice und Higashino war daher mein Wunschkandidat. Jener ausgewählte Titel kam dann allerdings etwas später, 2015/16, auf Englisch und 2018 auf Deutsch heraus. Ich weiß inzwischen also doch, worum es im Buch geht (im Original hätte ich das niemals geschafft).


Yukito Ayatsuji – The Decagon House Murders / Die Morde im Dekagon-Haus
Hätte man mich hier um einen Tipp gebeten, hätte ich vermutlich ohnehin falsch gelegen. Um die Decagon House Murders schlich ich schon ewig herum, bevor ich sie gekauft habe. Auf Englisch gibt es eine Menge japanischer Krimiklassiker und der hier ist nur einer von vielen auf meiner Wunschliste. Dass der deutsche Buchmarkt eine Krimiklassiker-Welle aus Japan starten könnte, hatte ich nicht auf dem Radar. Nun ist es aber so weit. Yokomizo ist dabei, mit Ayatsuji steigt der Limes Verlag ab November 2025 in eine Klassikerserie ein und Seicho Matsumoto bei Kampa lässt vermuten, dass auch hier noch einige TItel nachkommen könnten.

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