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Edgar Rai – Halbschwergewicht

Edgar Rai – Halbschwergewicht

Edgar Rai - Halbschwergewicht / Rezension

Als Boxer mit dem Spitznamen Lucky hatte Stefano Ferrante eine großartige Karriere vor sich. Es ging gut, bis er sich bei einem Kampf einen Handknochen brach und an ein Comeback nicht mehr zu denken war. Hinter dem Rücken seines Mentors und Trainers Helmut ließ er sich vom halbseidenen Boxpromoter Marcello zu einem abgekarteten Comeback anstiften: Von der kaputten Hand durfte niemand wissen, also sollte Lucky absichtlich zu Boden gehen. Mit Hilfe entsprechender Wetten und besten Quoten sollte dick Kasse gemacht werden. Am Ende lag eine Tote im Hotelzimmer, Lucky erinnerte sich an nichts und wanderte drei Jahre, sechs Monate und elf Tage in den Knast.

Auf der Suche nach einer helfenden Hand

Am Tag der Entlassung sucht Lucky sofort Helmut auf. Das schlechte Gewissen plagt, denn mit ihm, der ihn vor der Dämlichkeit garantiert bewahrt hätte, mit dem will Lucky wieder reinen Tisch machen. Doch kaum sind die beiden im Gespräch, wird Helmut erschossen und Lucky steht schon wieder als Täter für einen Mord da, den er nicht begangen hat.

Aber Helmut ist tot, erschossen, eine Kugel im Kopf, und ungefähr an diesem Punkt hört Lucky auf zu rutschen, weil ihm klar wird, dass er sich nicht einmal während der sechs Monate im geschlossenen Vollzug jemals so einsam gefühlt hat wie jetzt.

Was ihm bleibt, ist die Flucht. Mit Fußfessel ist das zwar keine brillante Idee, aber die wird er glücklicherweise schnell los. Ab nun heißt es: In Deckung bleiben. Sein Gesicht ist ist immer noch bekannt, die Polizei jagt ihn und wem er trauen kann, ist unklarer denn je. Irgendjemand will ihn wieder hinter Gittern sehen, für irgendjemanden ist er immer noch eine Gefahr.

Das Buch spielt innerhalb einer sehr kurzen Zeit. Das muss man sich manchmal klar machen, so hoch ist die Taktung bei Lucky. Er pendelt zwischen bekannten Personen auf der Suche nach Informationen, entwischt in letzter Sekunde, verkrümelt sich vor Kameras und hofft, dass ihn in der U-Bahn niemand erkennt.

Auf der Suche um zu helfen

Seine Gegenspieler auf Polizeiebene sind Hauptkommissarin Hannah von Engelbrecht und Florian Siebold. Engelbrecht war schon bei der früheren Verhaftung zugange und ist ungewöhnlich milde gestimmt. Sie ahnt, dass damals etwas faul war, hatte aber keine Ahnung was. Engelbrecht geht von Beginn an davon aus, keinen Mörder zu suchen, eher einen Flüchtigen, der ihre Hilfe braucht.

Edgar Rai legt seine Geschichte in schnellen Szenen und Schnitten an. Das bringt ein hohes Tempo und Lucky ist zudem eine Figur, der man das Glück gönnt, das ihm seit seinem Knochenbruch so bitterlich abhanden kam. Aber er reagiert natürlich erst einmal nur und es ist fraglich, ob er das Zepter übernehmen kann oder einfach weiter von seinen Gegnern durch den Ring getrieben wird. Bei seiner Entscheidung für das abgekartete Comeback hat er sich schließlich nicht als der Hellste erwiesen.

Aber wenn ein Kampf über zwölf Runden geht, ist es nicht entscheidend, wer mehr Treffer kassiert, sondern wer länger auf den Beinen bleibt. … Vielleicht ist das auch schon das ganze Geheimnis —im Boxen wie im Leben. Auf den Beinen zu bleiben. Es mehr zu wollen als der andere.

Erinnert sich noch jemand über mein Gemeckere zum Buch Runaway von David Sedlaczek und seinen ungeheuer unglaubwürdigen Herrn Hagel? Den Typen, der nach 18 Jahren geschlossener Psychiatrie und knallvoll mit Medikamenten gefälschte Ausweise im Internet bestellt und fehlerfrei recherchiert? Das hat Edgar Rai deutlich besser im Griff. Lucky schafft es erst einigem Suchen, einen USB-Stick im Internetcafé in die richtige Buchse zu stecken und was er dann tut, wird von Ahnungslosigkeit und Zufall gesteuert. So passt das!

Tempo, Unterhaltung und eine (für mich gefühlt) richtige Szenerie mit zueinander passenden Charakteren. Echt, was will man mehr?

Lieblingszitat

„Aber ich weiß doch gar nicht, was passiert ist!“
Das behauptet Yvonne Hase nun zum sechsten Mal.

Bibliografische Angaben

Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-99102-5
Erstveröffentlichung: 2018

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