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Edward Kelsey Moore – Das Wunder am Ende der Straße

Edward Kelsey Moore – Das Wunder am Ende der Straße

Edward Kelsey Moore - Das Wunder am Ende der Straße

Irgendwo in Indiana liegt der Ort Plainview. Dort leben die drei Freundinnen Odette, Clarice und Barbara Jean, die auf die Ende Fünfzig zugehen. Langweilig wird es in der Kleinstadt nie und den drei Frauen sowieso nicht. Die neueste Sensation eine Hochzeit. Eigentlich heiratet ständig irgendwer, aber jetzt tritt der Besitzer eines Herrenclubs mit seiner ärgsten Kritikerin vor den Altar. Der Besitzer des „Pinken Pantoffel“, Forrest Payne, heiratet Miss Beatrice, ausgerechnet jene Frau, die jahrelang an seinem Parkplatz stand und den Besuchern ewige Verdammnis prophezeite, wenn sie das Etablissement beträten.

Payne engagiert für die Hochzeit den widerstrebenden Bluesgitarristen El Walker, der sein Lieblingsstück Happy Heartache Blues als Hochzeitsmarsch singen soll. Widerstrebend deshalb, weil Walker aus Plainview stammt und mit seiner Jugend dort absolut nichts mehr zu tun haben will. Walker ahnt, dass seine Anwesenheit verschiedene frühere Wegbegleiter auf den Plan rufen wird. Die sind ihm nicht alle wohlgesinnt.

Das Leben kippt ein Füllhorn aus und man kann in keine Richtung ausweichen

Was mich schnell für Moore eingenommen hat, ist sein bedingungsloses Eintauchen in alles, was die Familien in Plainview erleben, erleiden und erfreut. Das alles bringt Moore mit viel Anteilnahme und mindestens ebenso viel Humor auf die Bühne. Manches ist richtiggehend irre, so wie Odettes Fähigkeit, Tote sehen zu können. Odettes Mutter konnte das bereits und das Talent ging an sie über. Die Mutter tourt mit Eleanor Roosevelt, der ehemaligen Präsidentengattin, durch die Nachwelt. Außerdem erbte Odette einen großen Vorrat Marihuana, den ihr Mann James geflissentlich ignoriert. Das tut er nach Kräften, denn er ist Angestellter der Statepolice.

Clarice hat jahrelang mit einem ständig fremdgehenden Mann gelebt und ausgerechnet jetzt, als er bodenständiger wird, merkt sie, dass sie gerade jene Ehe, die sich anbahnt, nach der sie sich all die Jahre gesehnt hat, eigentlich gar nicht will. Odettes Cousine Veronica will unbedingt eine eigene Kirche und lässt sich von einer Wahrsagerin regelmäßig beraten, welche Wege sie dazu einschlagen soll.

Durcheinander ist Normalzustand

In Plainview ist nichts gestriegelt. Jeder hat sein Rucksäckchen zu tragen, auch jene, die an sich prima durch die Tage kommen und in verständnisvollen Familien leben. Aber eben, mit Humor lässt sich vieles ertragen und für alles andere gibt es Freunde. Mit denen übersteht man Todesfälle, Scheidungen und anderen Unbill. Trotzdem erschlägt die Menge an Möglichkeiten nie. Das Leben ist nun mal so und die Warmherzigkeit, mit der Moore seine Figuren zeichnet, lässt uns all das annehmen.

Tante Marjorie hat immer gesagt, dass man nicht immer gut sein kann. Manchmal müsse man einfach tun, was für den Moment richtig ist und den Mist später aufräumen.

In Plainview hängt letztlich vieles zusammen. Je länger man in der Geschichte steckt, umso mehr wird bewusst, wer hier wen kennt, was man alles voneinander weiß oder spürt und wo die Menschen sind, die eben jenen Mist aufräumen helfen.

Der Grundriss des Lebens

Plainview ließe sich prima als „Grundriss“ übersetzen. Ob Moore das so gewollt hat, weiß ich nicht, aber ich unterstelle es ihm. Denn das ist für meine Begriffe genau das, was er aufgezeichnet hat. Einen Grundriss, so wirr wie das Haus, das Odettes Vater gebaut hatte und das jetzt von Clarice bewohnt wird. Gewachsen nach den Launen des Erbauers, verschiedene Anbauten, willkürlich platzierte bunte Fenster und Durchgänge in unterschiedlichen Formen. Das hölzerne Abbild dessen, was sich uns tagtäglich an Wegen öffnet. Bewohnbar, ein Zuhause, doch voller unvorhersehbarer Überraschungen für die Besucher. Und wenn sich eine Tür schließt, geht im Roman eine neue Tür auf, manchmal auch „die zu einer Boutique“.

Edward Kelsey Moore hat mich mit seinem Roman positiv überrascht. Die vielen, ineinander verwobenen Elemente führen ihre Protagonisten natürlich zu einem versöhnlichen Ende. Man verlässt Plainville am Ende und fühlt sich pappsatt und wohl, als hätte man einen sämigen, hasugemachten Kakao getrunken, nicht überfüllt, nicht überzuckert, sondern alles genau richtig dosiert.

Bibliografische Angaben

Verlag: Limes
ISBN: 978-3-8090-2688-4
Originaltitel: The Supremes Sing The Happy Heartache Blues
Erstveröffentlichung: 2017
Deutsche Erstveröffentlichung: 2018
Übersetzung: Babette Schröder

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