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Lauren Wilkinson – American Spy

Lauren Wilkinson – American Spy

Marie Mitchell erlebt eine Nacht des Schreckens: Ein fremder Mann verschafft sich nachts Zugang zu ihrem Haus und versucht, sie zu töten. Mit Glück kann sie sich wehren, der Angreifer stirbt selbst. Mitchell, eine ehemalige CIA-Agentin, eben eine „American Spy“, ahnt sofort, wer hinter dem Angriff steckt. Sie bringt sich und die beiden kleinen Kinder auf Martinique in Sicherheit und plant von dort aus einen Gegenschlag, der ihr endgültig Ruhe verschaffen soll. Denn eines ist ihr klar: Derjenige, der dahintersteckt, nimmt ihr den Verlauf eines Einsatzes in Burkina Faso extrem übel und wird nicht lockerlassen.

Lauren Wilkinson lässt Mitchell selbst ihre Geschichte in Rückblenden erzählen. Sie setzt mit dem nächtlichen Überfall ein und baut den Roman auf als Geschichte, die Mitchell für ihre Söhne aufschreibt. Die sollen sie später einmal lesen, wenn sie älter sind und damit sollen sie die Geschichte ihrer Mutter und nicht zuletzt auch ihre eigene Herkunft besser verstehen können.

Schlangengrube CIA

Als Mitchell bei der CIA anfängt, erfüllt sich eine Mischung aus romantischem Kindertraum und loyaler Nachfolge. Mit Schwester Helene hatten sie sich Spionageeinsätze erträumt, mit einem Freund des Vaters einen echten Geheimdienstler im Bekanntenkreis. Mit Helene, die später tätsächlich beim Geheimdienst anheuerte, bekam Mitchell in ihrer großen Schwester ein Vorbild. Nicht zuletzt wollte sich Mitchell ihrer Schwester vielleicht auch etwas näher fühlen. Denn Helene war bei einem Autounfall kurz vor ihrer Hochzeit gestorben und vielleicht würde Helene, die manchmal geheimnisvolle und unnahbare große Schwester, ihr duch die berufliche Nachfolge näherkommen.

Doch die CIA entpuppt sich als bürokratisches Gebilde mit alten Möbeln (Slow Horses anyone?) und selbstherrlichen Männern, die mit einer Frau als Kollegin nichts anfangen können. Mit einer schwarzen Frau schon gar nicht. Mitchell schiebt Büroarbeit, kümmert sich um ein kleines Informantennetzwerk und kriegt bei keinem der Feldeinsätze einen Fuß in die Tür. Interessant wird sie erst, als ein Einsatz in Burkina Faso als „Honigfalle“ geplant wird. Mit Mitchell als Verführerin, die durch vollen Körpereinsatz Informationen fischen soll.

Spielplatz des Egoismus

Mitchell nimmt den Einsatz nach einigem Zögern an. Mit den Hintergründen dazu beginnt für mich der interessante Teil des Buchs. „American Spy“ legt es für meine Begriffe nämlich weniger auf die Spannung des eigentlichen Einsatzes an, auch, wenn da freilich der eine oder andere Haken verborgen ist. Wilkinson beschreibt in ihrem Roman sehr gut die Triebkräfte, die hinter den US-amerikanischen Einsätzen in Afrika stecken.

„Wieso setzt sich die CIA ausgerechnet dafür so stark ein?“, fragte ich.
„Weil ein Mehrparteiensystem ein Grundelement jeder Demokratie ist“, kam es in etwas arrogantem Tonfall zurück.
„Darüber bin ich mir im Klaren, ich halte es nur für eine interessante Schwerpunktsetzung der CIA angesichts der Tatsache, dass die USA ja nicht mal selbst ein Mehrparteiensystem haben.“

Irgendwann wird auch Mitchell klar, dass die Interessen der CIA zu keiner Zeit dem Wohl des Landes dienen. Jeder Einsatz soll eigentlich nichts anderes leisten, als die jeweils aktuellen außenpolitischen Interessen der USA zu unterstützen. Im Zweifel zu jedem Preis und sollten sich die Interessen ändern, wird das weltpolitische „Schachfeld“ einfach neu sortiert.

Familiengeschichte meets Spionageroman

Es mag klingen, als sei das alles ein bisschen viel für ein Buch. Aber das ist es für mich bei Weitem nicht. Die Familiengeschichte der Mitchells umfasst ja nicht nur den Einstieg der Töchter beim CIA. Darin steckt auch das Leben als Schwarze in den USA, das für die Mutter der zwei Mädchen so schwierig war, dass sie in ihre Heimat Martinique zurückging. Die Erfahrungen der Mädchen setzen sich später am Arbeitsplatz fort. Und bei Mitchell bildet es die feine Antenne aus, um beim Einsatz in Burkina Faso zu spüren, dass der Einsatz letztlich nicht nur auf einem US-amerikanischen, sondern einem weißen Vorherrschaftsdenken beruht. Afrikanische Länder „ohne die Kontrolle einer Kolonialmacht“ könnten in ein „ideologisches Vakuum“ fallen, heißt es an einer Stelle und wenige Passagen beschreiben die europäische und US-amerikanische Haltung besser als das: Unabhängigkeit ist ungünstig, denn sie könnte zu Eigenständigkeit führen.

Die gesellschaftliche und politische Gewichtung, die Wilkinson dem Roman verleiht, wiegt die etwas fehlende Spannung (siehe das Etikett „Thriller“) komplett auf.

Eine Rezension zu „American Spy“ findet ihr auch bei booknerds.de.

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Lauren Wilkinson - American Spy

Bibliografische Angaben

Verlag: Tropen
ISBN: 978-3-608-50464-4
Originaltitel: American Spy
Erstveröffentlichung: 2018
Deutsche Erstveröffentlichung: 2020
Übersetzung: Jenny Merling, Antje Althans, Anne Emmert, Katrin Harlass

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