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Eva Offredo – Japan Yahho!

Eva Offredo – Japan Yahho!

Kinderbücher stelle ich nicht oft vor, aber wenn, dann habe ich wirklich einen Narren dran gefressen. So passiert ist mir das mit den Frauen Midori, Akari, Tsuyu, Emi, Sora, Rin, Kameku und Yoko. Diese acht sind die Hauptpersonen in „Japan Yahho!“ — oder „Hallo Japan!“ Denn wie lernt man ein fremdes Land besser kennen, als über die Menschen, die dort leben und von ihrer Arbeit und ihrer Freizeit erzählen? Die acht Japanerinnen leben zwischen Hokkaido im Norden und Okinawa im Süden; sie leben in den quirligen Metropolen Osaka und Tokyo ebenso wie in den ruhigeren und teils sehr ländlichen Regionen des Landes.

Eva Offredo hat für die Bilderreise nach Japan acht Berufe gewählt, die für das Land und seine Tradtitionen typisch sind, doch neu und ungewöhnlich für die jungen Leserinnen und Leser. Akari zum Beispiel bringt die Feuerwerkskunst näher, die traditionell Handarbeit erfordert. Die Feuerwerke werden in dicken Bambusröhren platziert und bei regionalen Festivals gezündet. Zusätzlich zu vielen kleinen Begriffserklärungen in Akaris Bildergeschichte gibt es zwei japanische Vokabeln in Bildform – mit den japanischen Schriftzeichen – und was könnte bei Feuerwerk besser passen als ein feuerspeiender Vulkan und ein Drache?

Wabi-Sabi und Samurai-Geschichten

Kameku ist Restauratorin und beherrscht Kintsugi, eine Klebetechnik, mit der zerbrochene Keramik repariert wird. Die Bildergeschichte erklärt genau, welche Werkzeuge Kameku benötigt. Das Handwerk ist außerdem eine ideale Grundlage, um die Idee des „Wabi-Sabi“ anschaulich zu erklären. Tsuyu wiederum ist Bäuerin, aber nicht irgendeine: Sie baut Buchweizen an, mit dem Soba-Nudeln hergestellt werden.

Ausschnitt aus "Japan Yahho!" von Eva Offredo: Midori, die Mooskundlerin. Moritz Verlag
Midori, die Mooskundlerin – passend zu Beruf und Name sind ihre Seiten ganz in Grün gehalten.

Rin ist Sumoringerin und Midori arbeitet als Mooskundlerin. Yoko ist Sandbademeisterin und ihre warmen Sandpackungen sollen bei Rückenschmerzen helfen. Selbst in ihrer Freizeit arbeitet sie am liebsten mit Sand und baut große Sandburgen. Mit der Papierdrachenküstlerin Sora erklärt Eva Offredo, wo die kunstvollen Konstruktionen ihren Ursprung haben. Sie waren einst die Verdienstmöglichkeit für Samurai, die in Friedenszeiten kein Geld verdienen konnten – sie waren schließlich Krieger. Mit ihre schlichten Illustrationen zeigt Offredo die wichtigsten Drachentypen und wie sie als Vogelscheuchen eingesetzt werden können.

Ein Herz für Nonsense

Ganz besonders mag ich die Geschichte über Emi, die Chindogu-Künstlerin. Emi lebt in Tokyo und die Illustratorin hat es geschafft, den Grundriss von Emis Wohnung (als „Sicht von oben“) in die Raster ihrer Bildergeschichten unterzubringen. Passend dazu mit den Wörtern versehen, wie „genkan“ für Eingang oder „oshiire“ für den geräumigen Wandschrank. Eine wunderbare Art, den winzigen Wohnraum zu zeigen, der für viele Japanerinnen und Japaner in den Großstädten üblich ist. „Dazu ein mehr als perfekter Sinn fürs Aufräumen, den sich viele Eltern für ihre Kinder wünschen würden!“, schreibt sie dazu.

Den Sinn für Humor teilen sich Autorin und Emi also, denn Emi macht Chindogu. Das ist eine in den 1980er Jahren entstandene Kunstform, die den Konsum mit witzigen Kreationen hinterfragt. In „Japan Yahho!“ zeigt Offredo unter anderem fünf Beispiele, die tatsächlich so entwickelt wurden. Ganz nebenbei erklärt die Illustratorin mit der Vokabel für „Wolkenkratzer“, wie japanische Großstädte konzipiert sind: in die Höhe. Es ist nicht ungewöhnlich, für den Supermarkt, einen Plattenladen oder eine Kegelbahn mehrere Stockwerke hinauffahren zu müssen.

Farbenspiel und Naturnähe

Das Kinderbuch beweist eine wunderbare Liebe zum Detail. Jeder Frau ist eine eigene Farbe zugeordnet, in deren Schattierungen alle zugehörigen Illustrationen gestaltet sind. Ihre Vornamen, in kleinen Anmerkungen übersetzt, passen zu ihren Berufen. Wobei mir nicht klar ist, warum es in der französischen Originalausgabe teils andere sind; passend scheinen sie mir alle.

Jede Geschichte begeistert mich mit einer gewissen Poesie: Die Schlichtheit der Gestaltung korrespondiert für mich ausgezeichnet mit dem oft ebenso schlichten japanischen Stil – schlicht, aber durchdacht und verfeinert. Die acht Frauen widmen sich ihren Berufen und Hobbies mit Ernsthaftigkeit, und auch spürbar viel Liebe an ihrer Aufgabe. Ein Bilderbuch, das die Freude an den kleinen Dingen des Alltags vermittelt – es gibt wenig Entspannteres als genau das.

Eva Offredo - Japan Yahho!

Bibliografische Daten

Verlag: Moritz
ISBN: 978-3-89565-443-5
Originaltitel: Yahho Japon!
Erstveröffentlichung: 2021
Deutsche Erstveröffentlichung: 2023
Übersetzung: Tobias Scheffel

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