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Kaspar Wolfensberger – Gommer Sommer

Kaspar Wolfensberger – Gommer Sommer

Kaspar Wolfensberger - Gommer Sommer

Kaspar Wolfensberger schickt Kauz, den entlassenen Üsserschwiizer Kriminalpolizisten mit dem Walliser Familiennamen Walpen, nach Münster, im Goms, in Rente. Dorthin, wo er einen umgebauten Speicher seit vielen Jahren als Feriendomizil bewohnt. Empfangen wird Kauz von einem Erhängten, einem Überfahrenen und dem Gommer Napoleon. Und von Max, einem verwilderten Alpenköter. Die Polizei ermittelt, weil sie muss, Walpen, weil er nicht anders kann.

Rezension

Alois Walpen, den praktisch alle nur unter seinem Spitznamen Kauz kennen, hat es sich mit der neuen Zürcher Polizeitleitung verdorben und muss gehen. Kurzerhand tritt er seinen geplanten Sommeraufenthalt im Hochtal des Goms einfach ein paar Tage früher an. Dort wohnt er im umgebauten Speicher von Wendel Imfang, der ihm jedes Mal vor der Anreise ein bisschen Trockenfleisch, Käse und Bier in die Küche stellt. Dieses Mal ist alles anders: Fleisch und Bier fehlen, statt dessen baumelt die Leiche von Imfang vom Speicherbalken.

Walpen kann kaum glauben, dass die Polizei auf Selbstmord entscheidet und hilft ein wenig nach. Ein wenig aber nur, denn er hat im Goms natürlich nichts zu sagen. Als sich Walpens Hinweis allerdings bestätigt, arbeiten die ansässigen Polizisten zusammen mit dem Üsserschwiizer (Ausdruck für schlichtweg alle deutschsprachigen Schweizer außerhalb des Wallis). Korporal Ria Ritz vom Polizeiposten in Fiesch überzeugt es, dass Kauz richtig gelegen hatte und hält ihn auf dem Laufenden. Immerhin kommt noch dazu, dass mit Wendel Imfangs Jeep jemand angefahren wurde und der Fahrer Fahrerflucht begangen hatte. Zusammen passt das nur, wenn man einen fixen Abschluss braucht; denkt man ein wenig weiter nach, passt es schon nicht mehr.

Während die Polizei verhört, untersucht und Beweise sammelt, wandert Kauz von Alp zu Alp und fotografiert.

Die schaurige Gewitterstimmung oberhalb des Chämibodä war sogar ganz hervorragend eingefangen. Das Spiel mit Licht und Schatten begann ihn mehr und mehr zu interessieren. Licht und Schatten — damit beschäftigte er sich als Kriminalpolizist doch eh. Schwarz und Weiss. Gut und Böse. Täter und Opfer. Schattige Winkel ausleuchten, Licht ins Dunkel bringen. Hatte ihn das geprägt?

Die Wanderungen lassen viel Zeit für eigene Schlüsse und ein paar kleine Umfragen. Wendels Tante zum Beispiel ist wohl verschroben, aber heller im Kopf als man es ihr zutraut. Und auf den umliegenden Almen, wo die Tiere von Wendel unterkommen, trifft Kauz Leute, die ihm ganz sicher etwas verschweigen. Der lokale Immobilienkönig Z’Blatten fordert Kauz‘ Misstrauen geradezu heraus; der „Gommer Napoleon“ will im Tal ein luxuriöses Resort errichten und konnte bisher offenbar nach Belieben Umzonungen auslösen und das Baurecht nach seinem Gutdünken zurecht biegen. Klar, dass Z’Blatten auch bei Wendel Imfang die Finger im Spiel gehabt haben könnte.

Kaspar Wolfensberger hat nicht nur einen großartigen Krimi geschrieben. Eigentlich ist es auch eine Liebeserklärung an das Goms. Im Buch packt er mit den Tourismusplänen des Herrn Z’Blatten oder der Zweitwohnungsinitiative Themen an, die in so mancher Schweizer Region die Balance zwischen Lebensqualität und Tourismus gestört haben. Lange ist das Goms verschont geblieben, aber Bauland, Stadel zum Umbauen oder Chalets gehören dort inzwischen ebenso zum Immobilienangebot wie anderswo. Instinktiv hofft man, es möge im Goms nicht zuviele von der Sorte Z’Blatten geben.

Bibliografische Angaben

Verlag: Bilgerverlag
ISBN: 978-3-03762-056-4
Erstveröffentlichung: 2016
Autorenwebsite


Übrigens: Kauz kann ganz gut kochen und seine Vorliebe gilt der einheimischen Küche. Bekocht er Kollegen mit Riesbächler Weinsüppchen und Kappeler Schweinsfilet im Wirzmantel, gibt’s Lob zuhauf. Freilich ist er absolut hingerissen, als er im Goms eine lokale Spezialität von Rias Mama serviert bekommt. Die hat einen so urchigen Namen, dass ich dazu nicht nur recherchiert, sondern das Gericht auch ausprobiert habe (und mir ist’s grad‘ wurscht, dass die Kinder Lauch nicht sonderlich mögen):

Cholera

Zum Namen kam es möglicherweise wegen der gleichnamigen Krankheit: Wegen der Ansteckungsgefahr während einer Epidemie in den 1830ern ging man kaum aus dem Haus und versorgte sich mit dem, was Garten und Keller hergaben. Was man früher aber sowieso tat und weswegen jeder eine Cholera anders zubereitet – je nachdem eben, was der Familiengarten hergab und was Mutter, Großmutter, Urgroßmutter … überlieferten.

Etwas netter ist die Ableitung vom Wort für Kohle, Chola oder Cholu, denn in glühenden Kohlen landete die zugedeckte Pfanne, damit der Lauchkuchen ausbacken konnte. Die Cholera wäre somit eher ein „Kohlekuchen“.

Das Rezept lässt sich individuell prima an die Auflaufform anpassen. Bei mir ist nach einem Apfel und drei Kartoffeln schon fast Schluss. Im Gegenzug verschwinden Reste von Raclette-Käse ganz schnell mit so einem Rezept, bevor neuer Käse dafür gekauft wird. Probiert es einfach mal aus. Bereiten euch die Fotos bereits ordentlich Hunger? (Rezept muss erneuert werden, weil es bei einem technischen Update verschwand)

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