Von nassen Fischen und Ringvereinen

von Bettina Schnerr
3 Minuten Lesezeit
Header zur Buchvorstellung: "Moabit" von Volker Kutscher, illustriert von Kat Menschik sowie "Der nasse Fisch" von Arne Jysch, eine Graphic Novel nach dem gleichnamigen Krimi von Volker Kutscher,"

Etwa zehn Jahre ist es her, dass mich ein Krimidebut in historischem Setting sehr begeisterte. Das war Der nasse Fisch von Volker Kutscher. Das Buch war nicht nur wahnsinnig gut komponiert und spannend, historisch kenntnisreich und mit einer stimmigen Atmosphäre. Es war anno 2007 auch insofern atypisch, weil die 1920er und 1930er in den Krimis eigentlich kaum eine Rolle spielten.

Comicfan trifft Comiczeichner

Der nasse Fisch wurde 2016 nochmals nass: Der Comiczeichner Arne Jysch adaptierte den Krimi als Graphic Novel. Jysch fragte kurzerhand bei Volker Kutscher an, ob er sich mit dem Roman befassen dürfe, weil er ein ähnliches Interesse am damaligen Zeitgeschehen und der Szenerie der Stadt Berlin entdeckt hatte. Kutscher sagte zu.

Für die Adaption musste allerdings die ursprünglich über 500 Seiten dicke Geschichte um weite Teile gekürzt werden; schlussendlich passt alles auf etwa 200 Seiten. Graphic Novels haben es nun mal an sich, dass sie sich auf Handlung statt auf Beschreibungen konzentrieren.

Es hat knapp zwei Jahre gebraucht, das Szenario zu entwickeln und die Rohskizzen der Seitenlayouts anzulegen.

Arne Jysch in der Pressemappe zum Buch

Jysch ist es gelungen, die wesentlichen Details herauszufiltern und zu einer stimmigen Geschichte umzusetzen. Allerdings nicht ohne den einen oder anderen Schlenker, den es im Buch nicht gibt, der der Graphic Novel aber eine bessere Erzählstruktur verleiht. Spoiler: ich hätte es ohne eine Anmerkung von Jysch nach all den Jahren, die meine Lektüre zurück liegt, nicht gemerkt. So etwas halte ich aber für verzeihlich, denn ich verstehe, dass eine textbasierte Handlung ganz anders funktionieren kann.

Ebenfalls sehr gelungen ist die optische Umsetzung, für die Jysch erkennbar sehr gut recherchiert hat. Volker Kutscher hat für seine Serie einen unglaublichen Fundus an Text- und Bildmaterial, das Jysch für dessen Recherchen zur Verfügung stand. Die Schwarz-weiß-Zeichnungen passen da nicht nur, weil Graphic Novel nun mal vorrangig in schwarz-weiß existieren, sondern auch, weil Schwarz-weiß-Bilder ohnehin unser Bild aus dieser Zeit prägen.

Das illustrierte Prequel

Ganz anders das Drumherum bei „Moabit“. Hier bleibt die Geschichte als solche stehen, während sich Kat Menschik ausschließlich um das komplette Design des Buchs kümmert: Layout, Illustration, Farbgebung, Schriftbild. Kutscher und Menschik sagen, dass sie bewusst nach einer möglichen Zusammenarbeit gesucht haben. Dass Charlotte Ritter, genannt Charly und später Gereon Raths Freundin, zur Hauptperson wurde, war Menschiks Wunsch. Kutscher erzählt in seiner Kurzgeschichte passend dazu Charlys Leben kurz nach dem Schulabschluss, mit den Plänen für ein Studium, das sie sich mit Schreibmaschinen- und Stenoptypiearbeiten selbst finanzieren möchte. Als Tochter eines Gefängniswärters könnte sie das sonst nicht schaffen und auch das Kleid für heimliche, nächtliche Tanzausflüge ist selbst genäht (und vor den Eltern bestens versteckt). Charly wird zu einer komplett unabhängigen Figur.

Ich hatte mir Charly als Figur gewünscht, weil es ja sonst immer nur Männer sind in den Krimis, die ermitteln und morden. Und es war mein Wunsch, die Handlung zeitlich weit vor dem letzten Rath-Roman anzusetzen.

Kat Menschik in einem Interview mit Zeit Online

Die Illustrationen von Kat Menschik haben mit der Geschichte nicht immer direkt zu tun. Sie illustriert oft weniger die Handlung, als dass sie die Handlung mit zeitgenössischen Anzeigenmotiven kommentiert. Es gibt zum Beispiel einen Messerangriff, der im Text auf einer Seite geschildert wird. Gegenüberliegend die Anzeigen, die eine für Hansaplast „für kleine Verletzungen, die andere für Solinger Messer mit „geschmackvollen Mustern“, allerdings auch blutverschmierter Klinge.

Farblich sagt das Cover bereits alles: Orange, schwarz, weiß und hellblau genügen, um das Buch zum Leben zu erwecken. In demselben Stil stellt das Buch Autor und Gestalterin vor, angepasst auch die Verlagswerbung für weitere Titel. Das ist ein so stimmiges Konzept, dass ich dieses Buch nicht nur der Länge wegen (ca. 80 Seiten) in kürzester Zeit gelesen hatte, sondern auch, weil es mich in dieser Gesamtheit so begeistert hat.

Gereon Rath und sein Werdegang wurde auch für andere Künstler interessant: Die Verfilmungsrechte gingen 2012 weg und im Herbst 2017 lief die Serie Babylon Berlin erstmals über die Bildschirme. Die Serie basiert eher lose auf Kutschers Roman. Für das Radio wurde das Buch ebenfalls umgesetzt: Als „rbb Serienstoff“ kann man „Der nasse Fisch“ als achtteiligen Podcast hören.

Bibliografische Angaben

Moabit
Verlag: Galiani Berlin
ISBN: 978-3-86971-155-3
Erstveröffentlichung: 2017

Der nasse Fisch
Verlag: Carlsen
ISBN: 978-3-551-78590-9
Erstveröffentlichung: 2016


Headerbild: unter Verwendung der Buchcover

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