Kaum jemandem dürfte der Name Andrew Haswell Green etwas sagen. Und doch war er eine prägende Figur im New York des späten 19. Jahrhunderts. Der Anwalt engagierte sich in zahlreichen Projekten für das Bürgerwohl, die heute ganz selbstverständlich nicht nur zu New York gehören, sondern auch außerhalb Schule machten. Jonathan Lee setzt Green mit „Der große Fehler“ als literarische Biografie ein Denkmal.
Das Buch setzt unter Greens Verdiensten vor allem den Central Park in Szene. Jedes Kapitel ist mit einem der Tore betitelt, über die der Park betreten wird. Childrens‘ Gate, Miners‘ Gate, Artists‘ Gate oder Farmers‘ Gate – zwanzig Perspektiven auf die Stadt, die er durchgesetzt hatte. Gegen den Widerstand vieler, die lieber reiche, wohlhabende Männer als Namensgeber sehen wollten.
Diese Anekdote erzählt bereits eine Menge über die fortschrittliche Haltung von Andrew Green, die auch anderen Projekten zugrunde liegt. Green, der aus einem schlichten Bauernhaushalt stammt, begeisterte sich zum Beispiel fürs Lesen. So störte er sich früh an den finanziellen Problemen, die das Lesen mit sich brachte: Lesegesellschaften und Bibliotheken waren teuer und standen nicht allen zur Verfügung. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Präsidentschaftskandidaten Samuel J. Tilden, plante er daher eine öffentliche Bibliothek. Nach Tildens Tod konnte Green mit dessen Nachlass die New York Public Library aufbauen.
Fast nebenbei erwähnt wird Greens Engagement für eine bessere Schulbildung. Und vieles andere geht (natürlich verzeihlich) in der Romanbiografie unter. Darunter Greens Zutun für den Bronx Zoo, das American Museum of Natural History oder das Metropolitan Museum of Art.
Freitag, der 13.
Über den Roman selbst habe ich an dieser Stelle noch nicht viel geschrieben. Das hole ich in aller Kürze nach, denn die Person Green scheint mir mit ihrer gesamten Laufbahn durchaus interessanter als die Figur Green. Er wird an einem Freitag vor seinem Haus erschossen und ausgehend von dieser Szene entwickelt Lee die Lebensgeschichte von Andrew Green. Mal geht es retour in seine Kindheit und sein Leben. Mal begleitet man Inspector McClusky, der mit den Ermittlungen zum Schützen betraut ist.
Andrew Green hat zeitlebens eine Menge erreicht und sich vom Farmerssohn zum Anwalt und einflussreichen Stadtplaner hochgearbeitet. Nur privat dürfte er einsam geblieben sein. Green war homosexuell und zwischen seiner Jugend und dem Alter gab es zeitlebens keinerlei Zugeständnisse durch die Gesellschaft (der erste Bundesstaat öffnete sich juristisch erst 1962). Zusammen mit Greens Leistungen für die Stadt und einigen interessanten Nebenfiguren schafft Lee sein literarisches Denkmal für den „Father of Greater New York“ auch als Zeitdokument über Klassendenken, Sklaverei, gesellschaftlichen Aufstieg und politische Umbrüche.
Bibliografische Angaben
Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-357-07191-7
Originaltitel: The Great Mistake
Erstveröffentlichung: 2021
Deutsche Erstveröffentlichung: 2022
Übersetzung: Werner Löcher-Lawrence