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Katsuhiko Takahashi – Auf der Suche nach Sharaku

Katsuhiko Takahashi – Auf der Suche nach Sharaku

Katsuhiko Takahashi - Auf der Suche nach Sharaku

Japans Kunstszene steht unter Schock: Wie es scheint, hat ein namhafter Kunsthistoriker Selbstmord begangen. Doch Tsuda, ein junger Kunststudent, zweifelt daran und macht wenig später eine Entdeckung, die eines der größten Rätsel der japanischen Kunstgeschichte zu lüften verspricht: die wahre Identität des bekannten Ukiyoe-Künstlers Sharaku. Dieser tauchte 1794 als Unbekannter auf und wurde binnen kurzer Zeit zum Star der Kunstwelt. In wenigen Jahren veröffentlichte er unzählige Drucke und verschwand dann ganz plötzlich unter mysteriösen Umständen. Tsuda glaubt nun zu wissen, warum, und das bringt ihn selbst in Gefahr.

Rezension

Der Tod des Kunstexperten Saga bringt die ehemaligen Uni-Absolventen Tsuda und Kokufu auf dessen Beerdigung zusammen. Während Tsuda nach wie vor für den Ukiyoe-Experten Nishijima an der Universität arbeitet, trennte sich Kokufu von dessen Forschungsabteilung. Durch Zufall sehen sich die beiden nun wieder, weil Kokufu an seinem neuen Wohnort den Kunstexperten Saga über einen lokalen Literaturzirkel kennenlernte und die Kondolenzspenden entgegen nimmt.

Obwohl sich Tsuda und Kokufu gut leiden können, ist es eine heikle Situation:  Sagas Kunstklub „Liebhaber des Ukiyoe“ und Nishijimas akademischer „Edo-Kunstverein“ stehen sich bei der Ukiyoe-Forschung seit Jahren unversöhnlich gegenüber und rupfen Forschungsbeiträge des jeweils anderen ganz automatisch in Fetzen. Doch die beiden jungen Männer packen die Gelegenheit beim Schopf und bleiben in Kontakt. Nicht zuletzt wegen Kokufus Schwester, die Tsuda immer noch sehr zu mögen scheint, aber auch wegen der Polizei. Die stellt auf der Beerdigung seltsame Fragen und stachelt die Neugier der beiden an.

Kurz darauf fällt Tsuda bei der Auflösung von Sagas Nachlass ein älterer Bildband in die Hände, in dem er eine bemerkenswerte Signatur auf einem der Bilder entdeckt. Möglicherweise könnte er damit das Rätsel um den mysteriösen Ukiyoe-Künstler Sharaku lösen, dessen wahre Identität bis heute nicht geklärt ist. Tsuda forscht akribisch, unterstützt von Kokufu und dessen Schwester, was die historische Spur hergibt.

Sharaku, den berühmten Künstler, gab es wirklich (das Titelbild des Buchs ist verständlicherweise von ihm). Auch seine Identität ist bis heute tatsächlich ungeklärt. Mehr als ein Dutzend Theorien wurden dazu aufgestellt. Sie reichen von einer Künstlergruppe über einen malenden Schauspieler bis hin zu einem Adligen, der seine Tätigkeit verschleiern wollte. 1967 mischte sich auch ein Fachfremder in die Suche ein und schlug vor, dass ein bereits bekannter Künstler eine Doppelrolle einnahm; nicht gerade zu Tsudas Gefallen:

Der Urheber dieser These ist ein Krimiautor. Kein Wunder, dass so einer auf solch eine abstruse Idee kommt.
Ja, da stimme ich dir zu. Die Forschung ist doch kein Kriminalroman.

Über weite Strecken ist das Buch wirklich kein Kriminalroman, sondern eine Begleitung von Tsuda auf seinen Forschungsreisen und der akribischen Darstellung aller Fakten, die er dabei zutage fördert und analysiert. Der Autor selbst hat sich intensiv mit japanischer Malerei und der Druckkunst Ukiyoe befasst — er scheint Tsuda als sein alter ego auf die Piste zu schicken, um als zweiter Krimiautor im Reigen der Forscher eine These aufstellen zu können. Das gerät langatmig und man muss sehr aufpassen, denn es fallen viele Namen, Zeitangaben, Orte und Personenverknüpfungen, um Tsudas neue Theorie zu untermauern. Eine gut gemachte übrigens, denn Takahashis ausführliche Auseinandersetzung mit den Fakten zeigt, dass sie durchaus plausibel ist und Lücken in anderen Theorien besser zu stopfen vermag.

Spannend, flüssiger zu lesen und interessant wird das letzte Drittel: Tsudas These steht, ist bestens untermauert, und wird von Tsudas Chef Nishijima der Öffentlichkeit präsentiert. Die These löst verständlicherweise ein riesiges Echo in der Kunstwelt aus und entwickelt eine gefährliche Eigendynamik. Die Konstruktion der Geschichte, die sich hier endlich auflöst, ist sehr raffiniert. Sagas Tod war, man „weiß“ es praktisch von Beginn an, kein Selbstmord und Sharaku wird noch weitere Opfer fordern. Bis Tsuda und die Polizei nicht nur die Hintergründe verstehen, sondern auch in der Lage sein werden, all das nachzuweisen.

Takahashi erhielt für diesen Roman 1983 den Edogawa Rampo Preis und das Thema Ukiyoe ließ Takahashi übrigens nicht los: Er schrieb eine Krimitrilogie, deren weitere Teile sich mit den Ukiyoe-Künstlern Hiroshige und Hokusai befassten.

Bibliografische Angaben

Verlag: Bebra Verlag
ISBN: 978-3-86124-918-4
Originaltitel: Sharaku Satsujin Jiken, 写楽殺人事件
Erstveröffentlichung: 1983
Deutsche Erstveröffentlichung: 2013
Übersetzung: Sabine Mangold, Yukari Hayasaki

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