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Robert Robinson – Die toten Professoren

Robert Robinson – Die toten Professoren

Robert Robinson - Die toten Professoren

„Er hatte den Darlegungen des Polizeichefs gern gelauscht. Sie waren hochintellektuell gewesen und sehr interesant. Man hatte sich außerordentlich kultiviert unterhalten. Aber ein wenig unruhig war er schon. Die Theorie klang wirklich überzeugend. Und doch — ein Verbrecher mit philosophischen Neigungen — dem es auf die Stimmung ankam — wenn man sich das vorstellte! Faszinierend.
Die Tatsache bleibt, dass mir so etwas noch nie begegnet ist, sagte sich Autumn. Ich bin einfache Verbrechen gewöhnt. Leute, die ihre Frau umbringen, weil sie sich mit dem Installateur eingelassen hat.“

Rezension

In Oxford traten zwei Fälle von Buchvandalismus auf: In einer Nacht wurden einige Bücher auf einem Platz verbrannt und zudem fand ein Student ein altes Manuskript mit herausgerissenen Buchseiten. Ein Studentenulk? Oder etwas Ernsthaftes? Scotland Yard jedenfalls will sich nicht vorwerfen lassen, der Sache nicht nachgegangen zu sein und schickt Inspektor Autumn (von dem man nie den vollen Namen erfährt) in die Universitätsstadt. Gerade erst entdeckte ein Gelehrter am Warlock College ein Originalmanuskript von Chaucer und so ein wertvolles Stück darf auf keinen Fall potentiellen Buchzerstörern in die Hände fallen. Damit Autumn direkt an der Gefahrenquelle arbeiten kann, wird er direkt im Warlock untergebracht.

Schon am ersten Abend fällt der Rektor des Colleges, gleichzeitig Vizekanzler der Universität, einem Mord zum Opfer. Man findet Professor Manchip mit einem Obstmesser im Rücken. Natürlich wird sich Autumn auch um diesem Fall kümmern. Das ist aber ebensowenig aufschlussreich wie die Suche nach den Buchvandalen. Wo anfangen? Im College herrscht ein abendfüllend piefiges Gehacke darüber, welcher Professor wie großartig forscht und veröffentlicht. Dazu kommt aktuell die Neubesetzung des Rockinge-Lehrstuhls, wo man herzlich unterschiedlicher Meinung war, und Manchip verhinderte zudem nach Kräften, dass der dümmliche Lord Pinner eine Stiftung einrichten durfte. Motive gibt es verwirrend viele.

Autumn erlebt die kleinen und großen Positionskämpfe der Professoren mit. Jeder hält jeden für ausgesprochen seltsam und man wirft sich am liebsten gegenseitig vor, sich in der Forschung viel zu einseitig zu positionieren. Da schwirrt dem Inspektor schnell der Kopf. Robinson treibt die Gehässigkeiten frühlich auf die Spitze und die Gelehrten toben sich in ihrem Spezialisierungseifer nach Herzenslust aus. Es ist so speziell, dass im College gar nur vier Undergraduates leben, von denen einer gar als russischer Spion gehänselt wird. Aber nicht nur am College spinnen die Leute: Die Augenzeugin des Brandanschlags entpuppt sich als ältere Dame, die an kleine Männchen in TV-Apparaten glaubt und sich Tag und Nacht gegen Scherereien mit rätselhaften Angreifern wappnet. Da benötigt selbst der Inspektor irgendwann etwas mehr Zeit zum Grübeln:

„An diesem Teil seiner logischen Schlussfolgerung hatte der Inspektor seine Freude, nicht nur, weil er es scheinbar so locker entwickelt hatte (in Wirklichkeit hatte er sage und schreibe 20 Minuten des Rückwegs vom Fluss dazu gebraucht), sondern auch, weil es so leicht zu überprüfen war.“

Das Buch zählt alle Motive, alle möglichen Täter, alle Hinweise akribisch auf. Zum Schluss setzt sich sogar Autumn hin und entwirft in einem „Theorem“ detailliert seine Überlegungen zu diesem Zeitpunkt. Es scheint, als passten beide Todesfälle, die es am Ende geben wird, nicht zusammen. Aber zwei Mörder unter einem Dach ist eben auch sehr unwahrscheinlich. Ergo: Es muss einen Zusammenhang geben. Wer würde von welchem Tod profitieren? Alle Hinweise verstecken sich in der Geschichte. Man sieht sie nur einfach nicht. Dem Autor gelingt es, solche Informationen sehr wohl offen, aber dezent unterzubringen. Ganz zum Schluss versteht Autumn den Auslöser der Morde und kann sogar einen dritten verhindern. Aber als Leser nachvollziehen kann man die Lösung des Falls wahrscheinlich auch erst gemeinsam mit den verbliebenen Bewohnern des Colleges, als Autumn sie ihnen offenbart.

Robert Robinson wurde in England als TV- und Radio-Moderator bekannt. „Die toten Professoren“ war der einzige Krimi, den Robinson je geschrieben hatte. Geprägt hatten Robinson nach eigenen Angaben Michael Innes und Edmund Crispin (beide ebenfalls in der DuMont Kriminalbibliothek vertreten) und deren Humor ist dem von Robinson durchaus vergleichbar – wobei der Moderator höchstselbst ebenfalls für einen schlagfertigen, frechen Witz bekannt war.

„Die Mörderjagd als Quelle endlosen Amüsements“ heißt es im Nachwort für diese drei und Robinson macht großartig mit. Eines der Frauencolleges heißt Walpurgis Hall, einem Verdächtigen, dem Autumn im Fall des Vandalismus begegnet, verpasst Robinson den Namen Immanuel Kant und Lord Pinner, der (ausgerechnet) eine naturwissenschaftliche Stiftung gründen will, wird nach Strich und Faden als dummer August durch den Kakao gezogen. Das ist zu toppen und das beweist Robinson im Finale. Der Mörder wird am Ende von zahlreichen Männern durch Oxford gejagt – „So groß war die Zahl der Augenzeugen, dass diese Geschichte die einzige Oxford-Anekdote wurde, die nie jemand falsch erzählte.“ Überhaupt dieses Finale! Was auch immer ich sonst vergesse, den Fundort der ersten Leiche und dieses Finale jedenfalls garantiert nicht!

Bibliografische Angaben

Verlag: DuMont
ISBN: 3-770-13002-2
Originaltitel: Landscape with dead dons
Erstveröffentlichung: 1956
Deutsche Erstveröffentlichung: 1993
Übersetzung: Manfred Allié

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