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Banana Yoshimoto – Ein seltsamer Ort

Banana Yoshimoto – Ein seltsamer Ort

Banana Yoshimoto - Ein seltsamer Ort

Ein seltsamer Ort? Das ist die Kleinstadt Fukiage tatsächlich. Vor langer, langer Zeit soll es hier ein Portal in eine andere Welt gegeben haben. Heute ist die Stadt voller Legenden und niemand weiß mehr, ob die alten Geschichten tatsächlich von diesem Portal und Außerirdischen berichten, oder ob sie schlicht verrückte Erzählungen sind.

Zu den Merkwürdigkeiten in dieser Stadt gehört auch die Mutter der Zwillingsschwestern Mimi und Kodachi. Bei einem Autounfall starb der Vater, die Mutter liegt seither mit einer Schlafkrankheit im Spital. Sie ist nicht die einzige; in der Stadt tritt diese Diagnose überraschend häufig auf. Kodachi kehrt nach mehreren Jahren in Tokyo nach Fukiage zurück, um sie mit einem ausgeklügelten Prozedere wieder wach werden zu lassen. Mimi folgt ihrer Schwester besorgt, doch die ist wie vom Erdboden verschluckt.

„Ein seltsamer Ort“ ist ein seltsamer Roman. Banana Yoshimoto findet zu Beginn ihres Nachworts, es sei Fantasy — und wenn sie damit beginne, Fantasy zu schreiben, sei die Welt wahrscheinlich nicht mehr zu retten. Sie korrigiert sich auf „philosophischen Horror ohne besonderen Spannungsbogen“. Auf alle Fälle aber eine Geschichte, mit der sie Menschen berühren und Seelen retten möchte.

Ulkiges Ideensammelsurium

Es gibt ein UFO und programmierte Zombiewesen, die Menschen überfallen. Es gibt jene Schlafkrankheit und ein altes Herrenhaus, dem sich niemand freiwillig nähert. Im Großen und Ganzen geht es – zwischen Mimis ausschweifendem Geplapper – um ein respektvolles Nebeneinander mit Menschen, die anders sind. In grauer Vorzeit hat das in Fukiage offensichtlich nicht ganz geklappt und die Schwestern ziehen nun das große Los und reparieren die noch immer kniffligen Beziehungen der Menschen und Teilaußerirdischen untereinander.

Die irre Mischung erinnert gelegentlich an die kreative Fabulierkunst von Amélie Nothomb. „Ein seltsamer Ort“ hat manchmal was von deren Roman „Happy End„, wo ungewöhnliche Menschen zueinander finden. Doch der Charme ist nicht derselbe. Ob es daran liegt, dass Nothombs Stil weitaus weniger erklärt und sich selten in Nebensächlichkeiten tummelt? Yoshimoto zieht die Zeit in Fukiage zäh und träge dahin – umso verblüffter ist man, wenn Mimi vorrechnet, dass sie gerade erst wenige Tage in der Stadt ist.

Die Autorin streut regelmäßig Anspielungen auf Autoren oder Manga und Filme ein und Übersetzerin Annelie Ortmanns hat fleißig Fußnoten geschrieben, damit Nicht-Japaner:innen die Anspielungen zumindest nachvollziehen können. Banana Yoshimoto möchte sich mit „Ein seltsamer Ort“ in den Ruhestand verabschieden, schreibt sie. Es ist ein bisschen, wie wenn man sich von Leuten verabschiedet, dabei den Handschlag verfehlt und dann schräg lächelnd die Situation überspielt.

Bibliografische Daten

Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-07238-9
Originaltitel: Fukiage Kitan daiichiwa Mimi to Kodachi (吹上奇譚 第一話 ミミとこだち)
Erstveröffentlichung: 2017
Deutsche Erstveröffentlichung: 2023
Übersetzung: Annelie Ortmanns

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