Auftritt: Ava Lee, Wirtschaftsprüferin. Sie wird zu Hilfe geholt, als das Finanzierungsunternehmen Dynamic Financial Services aus Hongkong um fünf Millionen Dollar betrogen wird. Die Händler bei Seafood Partners hatten sich einen großen Shrimps-Deal von ihnen finanzieren lassen. Doch dann begannen sie, Ware abzuzweigen, anderweitig zu verkaufen und Hongkongs Konten geflissentlich zu ignorieren. Ava Lee soll das Geld zurückholen, um die Pleite von Dynamic Financial Services zu verhindern.
Wie könnte es anders sein: Das ist leichter gesagt als getan. Lee kann das Geld zwar schnell aufspüren. Doch heran kommt sie nur über Jackson Seto, den Inhaber von Seafood Partners. Und der ist ebenso wie das Geld in Regionen untergetaucht, die für solche Zwecke geradezu prädestiniert sind. Die Polizei bittet man dort umsonst um Hilfe. Ava Lee muss sich einen cleveren Coup einfallen lassen.
Nicht zu unterschätzen!
Die Berufsbezeichnung „Wirtschaftsprüferin“ ist technisch gesehen korrekt, und gleichzeitig eine heillose Untertreibung. Lee arbeitet für einen äußerst wohlhabenden Chinesen, genannt „Onkel“, der zwar nur für asiatische Kunden arbeitet, aber global vernetzt ist. Lee ist zierlich und mehrsprachig, sieht hinreißend aus und kann ebenso gut planen wie improvisieren. Obendrei beherrscht sie die Kung-fu Technik des Bak Mei und hat keine Probleme damit, selbst für ihre Sicherheit zu sorgen.
„Was hat er über mich gesagt?“, wollte sie wissen.
„Dass sie nicht sind, was Sie zu sein scheinen, aber wenn die Leute das herausgefunden haben, ist es für sie schon zu spät.“
Von jeder ihrer Fähigkeiten wird sie ausgiebig brauchen, wenn sie diesen Jackson Seto, jene „Wasserratte von Wanchai“, zur Strecke bringen will. Seto ist in Südamerika abgetaucht und so weit reichen die Verbindungen von Onkel leider nicht. Im Gegenzug entpuppt sich die Figur Ava Lee als eine, sagen wir, legalere Schwester von Modesty Blaise. Obgleich Lee gewissen Winkelzügen nicht aus dem Weg geht, um ihre Interessen durchzusetzen.
Schicker Griff in die Backlist
Mein Bücherfund erwies sich als ausgezeichnete Wahl. Das Buch erhielt im Jahr nach Erscheinen den kanadischen Krimipreis „Arthur Ellis Award“ und ist der erste Band einer inzwischen 15-teiligen Krimireihe – auf Englisch freilich. Warum Ava Lee im deutschsprachigen Raum offenbar ziemlich unter dem Radar flog, kann ich mir angesichts der Rasanz, mit der Lee arbeitet, nicht erklären. Ist Wirtschaftskriminalität nicht sexy genug, wenn alle Figuren das Buch überleben?
Bibliografische Angaben
Verlag: Kein & Aber
ISBN: 978-3-0369-5929-0
Originaltitel: The Water Rat of Wanchai
Erstveröffentlichung: 2011
Deutsche Erstveröffentlichung: 2011
Übersetzung: Simone Jakob