Die Shortlist zum Schweizer Buchpreis 2021

von Bettina Schnerr
6 Minuten Lesezeit
Header zur Shortlist Schweizer Buchpreis 2021: Im Bild die nominierten Titel von Martina Clavadetscher (Die Erfindung des Ungehorsams), Thomas Duarte (Was der Fall ist), Michael Hugentobler (Feuerland) und Veronika Sutter (Grösser als du).

Da waren’s nur noch vier: Martina Clavadetscher, Thomas Duarte, Michael Hugentobler und Veronika Sutter. Christian Kracht verzichtet. Nachdem am 15. September fünf Autoren und Autorinnen im Rampenlicht standen, stellte ich wenige Tage später fest, dass die Grafiken zum Buchpreis nur noch vier Namen und Buchcover enthielten. Kracht hatte gerade eben seine Nominierung zurückgezogen. Die Meinungen darüber gehen auseinander und nicht wenige vermuten dahinter einen ausgebufften Schachzug.

Was auch immer dahinter steckt, tun wir das, was offiziell Sinn und Zweck des Rückzugs sein soll: Richten wir das Augenmerk auf die jene vier Bücher auf der Shortlist, die aus 92 Titeln von 65 Verlagen für den Schweizr Buchpreis 2021 ausgewählt wurden:

  • Martina Clavadetscher – Die Erfindung des Ungehorsams
  • Thomas Duarte – Was der Fall ist
  • Michael Hugentobler – Feuerland
  • Veronika Sutter – Grösser als du

Gallus Frei Tomic, der den Schweizer Buchpreis mit seinem Blog Literaturblatt offiziell begleitet (ebenso wie Manuela Hofstätter mit ihrem Lesefieber), schrieb in seinem ersten Statement:

Spannend, weil die fünf Finalist:innen unterschiedlicher nicht sein könnten; ein Schwergewicht, zwei Perlen und zwei Debüts! Vielleicht auch ein ungleicher „Kampf“.

Nun sind noch zwei Perlen da und zwei Debüts und ungleich sieht die ganze Geschichte vielleicht nicht mehr ganz so sehr aus. Martina Clavadetscher war mit ihrem ersten Roman Knochenlieder 2017 schon einmal nominiert; ob das ein Vorteil ist, werden wir sehen. Peter Stamm musste immerhin drei Nominierungen abwarten, Kracht hätte als erster die Chance auf zwei Schweizer Buchpreise gehabt und ein Debüt hat es bisher noch nicht zum Preisträger geschafft. So weit die Rahmenbedingungen für allfällige Wetten.

Die Jury wählte jene Titel, in denen sie originelle Paarungen und literarisch Besonderes entdeckten, „das klassische Erzählen und das Experimentelle, das Historische und die Zukunftsvision, das Abgründige und das Humorvolle, das Politische und das Verschrobene.“ Mehr müsse man zu Vitalität und Vielseitigkeit der Deutschschweizer Gegenwartsliteratur nicht sagen, stellen sie in ihrer Jurybegründung fest. Unter den Reaktionen der Presse fand ich den Kommentar des Tagblatts interessant: Dort setzte man eine Vermisstenanzeige zusammen mit Dana Grigorcea, Simone Meier, Annette Hug und Sabine Haupt und findet gar, man hätte „problemlos eine reine Frauenliste erstellen können“. Vielleicht ein andermal. Halbehalbe ist in diesem Jahr schon mal erreicht.

Hier sind die Vier (in den kommenden Wochen folgen die Buchbesprechungen, die ich hier jewils direkt verlinken werde):

Michael Hugentobler – Feuerland

Zwei historische Figuren und ein einzigartiges Buch bilden den Ausgangspunkt für den Roman. Thomas Bridges, der Ziehsohn eines englischen Missionars, wächst Mitte des 19. Jahrhunderts in Südamerika unter den Kindern der Yamana auf. Fasziniert von der reichen Sprache, beginnt er obsessiv, ein Wörterbuch anzulegen, das später in die Hände des deutschen Völkerkundlers Ferdinand Hestermann gerät. Als die Nationalsozialisten in den 1930er Jahren beginnen, Bibliotheken zu plündern, versucht er unter allen Umständen, das Buch in Sicherheit zu bringen. Eine subtil erzählte Geschichte, die ohne Helden auskommt und den Bogen von den kolonialen zu den nazistischen Verheerungen schlägt.
(→ zur Rezension)

Martina Clavadetscher – Die Erfindung des Ungehorsams

Drei Frauen und die Frage nach künstlicher Intelligenz stehen im Zentrum des zweiten Romans von Martina Clavadetscher. Iris, die in Manhattan durch ihr Penthouse tigert und voller Ungeduld auf die nächste Dinnerparty wartet. Ling, angestellt in einer Sexpuppenfabrik im Südosten Chinas, die künstliche Frauenkörper auf Herstellungsfehler kontrolliert. Und Ada Lovelace im alten Europa, Pionierin der Programmiersprache, die von neuartigen Maschinen träumt. Sie alle sind auf der Suche nach dem Kern der Dinge. Ein Roman, der durch seine thematische Aktualität und sprachliche Kraft besticht.
(→ zur Rezension)

Thomas Duarte – Was der Fall ist

Ein Sachbearbeiter einer Stiftung erscheint nach Mitternacht auf einem Polizeiposten und erzählt, wie sein Leben aus den Fugen geraten ist. Nicht nur wird er finanzieller Unregelmässigkeiten verdächtigt, er lässt auch eine illegal arbeitende Frau im Büro wohnen, die ihrerseits zu erzählen beginnt. In seinem Debütroman «Was der Fall ist» entfacht Thomas Duarte ein funkelndes Erzählfeuerwerk und entlarvt dabei mit Ironie und Witz die Absurdität des kapitalistischen Arbeitsmarktes.
(→ zur Rezension)

Veronika Sutter – Grösser als du

Sie heissen Gloria, Helen oder Gino. Sie leben mit einem Geheimnis, weil Scham oder Verleugnung sie daran hindern, über das zu sprechen, was hinter ihren Wohnungstüren passiert. Zeitlich aufgespannt zwischen den grossen Schweizer Frauenstreiks 1991 und 2019 versammelt «Grösser als du» 15 lose verbundene Erzählungen über Beziehungen und über den Moment, wenn Liebe in Gewalt kippt. Durch dichte Sprache, präzise Schnitte und überraschende Wendungen gelingt es der Autorin, die Geschichten der Frauen zum Leuchten zu bringen.
(→ zur Rezension)

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Der Schweizer Buchpreis
Die Auszeichnung ist mit insgesamt 42‘000 Franken dotiert. Der oder die Preisträger*in erhält 30‘000 Franken, die anderen Finalist*innen jeweils 3‘000 Franken.
Die öffentliche Preisverleihung findet am 7. November 2021 im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals BuchBasel im Theater Basel statt. Zur Jury in diesem Jahr gehören der Buchhändler Tommy Egger, die Kulturjournalistin Sieglinde Geisel, Kulturredakteur und Jury-Sprecher Daniel Graf, die SRF-Literaturbloggerin Annette König sowie Hubert Thüring, Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft. Autor:innen sowie Vertreter:innen von Verlagen dürfen der Jury nicht angehören.


Fotomontage mit Foto von Aron Visuals, unsplash

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