Goldgrube Verlagsarchiv: Warum ältere Krimis gerade Hochkonjunktur haben und der Griff in die Archive so vielversprechend ist

von Bettina Schnerr
14 Minuten Lesezeit
Ausschnitt aus dem LP-Cover "The Singing Detective"; Foto: archive.org. Header für das Interview mit Ludger Menke zur Neuauflage vieler Krimi-Klassiker

Im Bereich der Kriminalromane entdecke ich immer wieder Verlage, die Klassiker neu auflegen oder älteren Titeln eine neue Chance geben. Mal sind es kleine Inseln im Strom der Zeit, wie zum Beispiel Peter O’Connell, von dem 2005 fünf Titel seiner Modesty Blaise-Reihe beim Unionsverlag nochmals erschienen oder zwei Neuübersetzungen von Leo Malets Nestor Burma im Jahr 2009 beim Distel Verlag. In den letzten, sagen wir, zwei Jahren hingegen bekam ich den Eindruck, dass sich die Wiederentdeckungen spürbar häuften. Für Ross Macdonald startete Diogenes eine Serie von Neuübersetzungen, Pierre Magnans Kommissar Laviolette ist wieder komplett bei Fischer zu Hause und Pendragon sorgt für eine Neuauflage von Robert B. Parker. Dorothy L. Sayers kommt demnächst bei Rowohlt in nennenswertem Umfang als Ebook heraus. Einzelne Neuübersetzungen oder Neuauflagen erlebten unter anderem Arimasa Osawa (Pendragon) sowie Stephen Booth und Shizuko Natsuki (Edel eBooks).

Der Zsolnay Verlag ergänzte die Neuübersetzung der späten Parker-Folgen von Richard Stark jüngst durch die Neuübersetzung der ersten Parker-Folge (auf Nachfrage erfuhr ich, dass das für den Verlag allerdings nicht als Startschuss für weitere Neuübersetzungen der frühen Werke gilt). Der Verlag entschied sich bewusst, dem Erstling der Serie mit einer hochwertigen Ausstattung einen besonderen Stellenwert zuzuweisen, ihn unverwechselbar und einzigartig zu gestalten.

Im Reigen der Honneurs für ältere Werke und Autoren wurden Philip Marlowe, Hercule Poirot und Sherlock Holmes sogar komplett von neuen Autoren wiederbelebt. Auch das ist ein Zeichen dafür, wie hoch nicht nur die Autoren, sondern auch ihre Figuren geschätzt werden. Um das Phänomen der Wiederentdeckungen ein bisschen besser unter die Lupe nehmen zu können, habe ich mich mit Ludger Menke unterhalten, seines Zeichens Wahlhamburger, Krimileser und vor allem: Der Krimblogger.

Ludger, als ich Dich zum ersten Mal kontaktiert hatte, nutzte ich immer wieder den Begriff „Klassiker“, um viele der genannten Titel zu beschreiben. Dabei tauchte natürlich automatisch die Frage auf, wie man mit so großen Begriffen umgeht. Wie schätzt Du das ein?

Im Lauf der Zeit bin ich immer vorsichtiger mit bestimmten Begriffen — Klassiker, Krimi, Genre — geworden. Ab wann gilt ein Buch oder das Werk eines Autors als „klassisch“?

Der ersten Intention folgend würde ich sagen: Klar, Agatha Christie, Arthur Conan Doyle, Raymond Chandler oder Dashiell Hammett, das sind Klassiker. Aber warum eigentlich? Weil sie zu Lebzeiten viele Bücher verkauft haben? Weil sie Ikonen wie Miss Marple oder Sherlock Holmes erschaffen haben? Weil sie stilprägend waren und etwa Whodunit oder Hardboiled-Romane als Subgenres begründet oder weiterentwickelt haben? Weil ihre Romane heute noch lieferbar sind (oder es fast durchgehend waren)? Weil die Romane immerwährende menschliche Fragen — Liebe, Tod, Eifersucht, Gier — behandeln? Oder auch, weil sie Hunderte von Klonen geschaffen haben? Gerade bei Christie kann man das beobachten, denn stilistisch sind ihre Romane armselig, dennoch wurde und wird sie immer wieder in unterschiedlicher Weise kopiert. Die nette, alte und doch so pfiffige Dame, sie ist nicht aus den Köpfen herauszukriegen. Und Leser scheinen das immer noch und immer wieder zu lieben.

Bei der Definition, was ein Klassiker ist, wird es schwierig. Wir kennen alle die vielen Listen, auf denen die besten 100 Kriminalromane aufgeführt sind. Doch kann es so etwas wie einen Kanon überhaupt geben? Wird nicht ein Literaturwissenschaftler, ein Literaturkritiker, ein Autor oder ein Leser da jeweils seine eigenen Listen haben und pflegen? Schaut ein Literaturwissenschaftler mehr auf den Einfluss, den ein Autor mit seinem Werk auf andere, nachfolgende Autoren hat? Schätzt ein Literaturkritiker vor allem die stilistische Brillianz und die raffinierte Dramaturgie eines Werkes? Ich denke, jeder Leser hat das Recht, seine eigenen Ansprüche und Kriterien zu stellen, diese immer wieder zu hinterfragen und mit anderen Lesern, Autoren oder Kritikern abzugleichen. Von daher spreche ich lieber von „älteren Krimis“.

Kommt diese Aufmerksamkeit für diese älteren Krimis denn so sprunghaft und stark, wie es gerade wirkt?

Das beobachte ich auch so, dass sie aktuell eine größere Aufmerksamkeit bekommen. Schaut man aber mal ein paar Jahre zurück, sieht man, dass das Auflegen älterer Romane an sich nicht so neu ist – das Besondere ist derzeit eher der Umfang als die Tatsache an sich. Im Bereich des Krimis erinnere ich mich an meine Anfangszeiten: Da gab es etwa von 1990 bis 2004 die DuMont Kriminalbibliothek, herausgegeben von Volker Neuhaus, in der neuere, aber auch ältere Titel, etwa von Mary Roberts Rinehart, Josephine Tey oder John Dickson Carr veröffentlicht wurden. Leider gibt es diese Reihe heute nur noch antiquarisch und einige ausgewählte Titel als Ebook.

Ähnliche Verlagsreihen folgten immer wieder, etwa 2008, als Fischer sich an die „Fischer Crime Classics“ wagte, herausgegeben von Lars Schafft, und die leider recht bald wieder eingestellt wurde. Ältere Kriminalromane haben schon immer eine gewisse Aufmerksamkeit gehabt, denn es ist nur verständlich, dass gerade Krimileser etwas über die Wurzeln ihres Lieblingsgenres erfahren möchten. Und jene historische Kette — E.A. Poe, Wilkie Collins, Arthur Conan Doyle, Agatha Christe, Dashiell Hammett, Raymond Chandler — ist eben doch zu dünn.

Du beobachtest sehr intensiv den angelsächsischen Raum und bist in der englischen und amerikanischen Krimikultur sehr gut verwurzelt. Wie steht es da mit Neuauflagen und Wiederentdeckungen?

Momentan etwa beschäftige ich mich mit dem Sammelband „Women Crime Writers„, den die US-amerikanische Krimiexpertin Sarah Weinman herausgegeben hat. Darin finden sich acht Kriminalromane von Autorinnen — am bekanntesten dürften wohl noch Patricia Highsmith und Margaret Millar sein — die in der Versenkung verschwunden sind. Oder wer kennt heute noch Dorothy B. Hughes oder Elisabeth Sanxay Holding, obwohl deren Romane „In a Lonely Place“ bzw. „The Blank Wall“ durchaus schon mal ins Deutsche übersetzt wurden?

Der Sammelband ist auch deshalb interessant in diesem Zusammenhang, weil er bei der Library of America, einem Non-Profit-Verlag (so sagen sie es selbst) erschienen ist, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die wichtigsten Texte der US-amerikanischen Literatur lieferbar zu halten. Theoretisch soll jeder Band, der veröffentlicht wurde, dauerhaft lieferbar sein. Eine eindrucksvolle Herangehensweise, wenn man mal auf die derzeitige Halbwertzeit von Literatur schaut. Und „Krimis“ erscheinen nebeneinander mit den „Hauptwerken“ der US-amerikanischen Literatur (z.B. Herman Melville, Mark Twain oder Henry James) in einer Reihe, in ähnlicher Aufmachung. Man stelle sich das bei einem deutschsprachigen Klassiker-Verlag einmal vor. Übrigens: Selbstverständlich sind bei der Library of America auch die wichtigsten Werke von Dashiell Hammett, Raymond Chandler oder David Goodis lieferbar. Seit einiger Zeit veröffentlich die LoA ausgewählte Romane von Elmore Leonard oder Ross MacDonald.

Ein anderes Beispiel: Im letzten Jahr brachte Mulholland Books, ein Imprint des Verlagsriesen Little, Brown & Co., eine 25-bändige Ausgabe der Werke von Jim Thompson auf den Markt, sowohl als Taschenbuch, wie auch als Ebook-Ausgabe. Wobei Jim Thompson durchaus in die Library of America gehört, aber das ist eine andere Geschichte.

Und noch ein drittes, aktuelles Beispiel, diesmal aus Großbritannien: Seit 2012 veröffentlicht die British Libray ihre „Crime Classics„. Darin sind Werke aus dem sogenannten „Goldenen Zeitalter“ zu finden, von Autoren, die heute wohl nur noch Experten etwas sagen, wie etwa Charles Warren Adams (der angeblich mit „The Notting Hill Mystery“ den ersten Detektivroman geschrieben haben soll), J. Jerfferson Farjeon oder John Bude. Begleitet wird dies durch aufmerksame Blogger und Kritiker, die sich gerade mit diesem Zeitraum beschäftigen oder auch durch Sekundärliteratur, wie etwa der literaturgeschichtlichen Darstellung „The Golden Age of Murder“ des Krimiautors Martin Edwards, die in diesem Jahr in Großbritannien erschienen ist.

Kommen wir einmal zurück nach Deutschland. Wie sieht es mit der Krimikultur und der Langlebigkeit von guten Titeln im deutschsprachigen Raum aus?

Dem deutschsprachigen Raum wird ja immer wieder eine kriminalliterarische Entwicklung abgesprochen. Das dem nicht so ist, hat etwa Dieter Paul Rudolph mit seiner Reihe „Alte Krimis“ gezeigt, wo er Vorläufer und Wegbereiter dessen, was wir „Kriminalliteratur“ nennen, wiederentdeckt hat. Oder man schaue auf die großartige „Illustrierte Bibliographie der Kriminalliteratur 1792-1945 im deutschsprachigen Raum“ von Mirko Schädel. Hier finden sich Zeugen einer sehr lebendigen, wenn auch gerne als trivial verschrienen Kriminalliteratur. Und etwas moderene Autoren, wie etwa Ulf Miehe oder Jörg Fauser, werden auch immer wieder aufgelegt. Dies alles kann nur anreißen, was sich da in den letzten Jahren getan hat. Es gibt sicher noch andere Beispiel, wo ältere Kriminalliteratur eine verstärkte Aufmerksamkeit bekommt, etwa im Fall von Ross Thomas, dessen Werk seit einigen Jahren vom Berliner Alexander Verlag vorzüglich gepflegt wird.

Im Vergleich aber muss ich sagen: Überhaupt ist die Begleitung der Entwicklung und Geschichte der Kriminallitatur durch Kritik und Wissenschaft in den anglo-amerikanischen Ländern nach meiner Beobachtung ausgeprägter und umfangreicher.

Woran könnte es Deiner Meinung nach liegen, dass die Klassiker wieder interessant werden?

Das ist eine spannende Frage, über die ich nur spekulieren kann. Ich selbst habe fünf Thesen dazu.

Die Liebe zu älteren Krimis lebt offensichtlich auf einer großen Basis, Ludger. Schauen wir uns Deine Thesen mal an. Was ist mit der „guten alten Zeit“?

Die ist nicht von der Hand zu weisen, gerade bei den eher unpolitischen Romanen etwa des „Goldenen Zeitalters“. In dieser unübersichtlichen Welt und in der nicht minder unübersichtlichen Literaturlandschaft vermitteln diese älteren, zum Teil ja auch bekannten Autoren, mit ihrem Werk so etwas wie eine Orientierung, einen Leitpfaden und zugleich ein Wohlgefühl, wenn es um das klassische Muster eines Whodunit geht, bei dem am Ende der Böse geschnappt wird und fast alles wieder gut ist. Außer natürlich für die, die im Roman dran glauben mussten. Da ist eine gewisse Sehnsucht spürbar, und wenn nicht Literatur, wer könnte solche Sehnsüchte besser befriedigen? Auch ich mag es gelegentlich, einfach meinen eskapistischen Neigungen zu huldigen und mich in der noblen, englischen Gesellschaft auf dem Lande wiederzufinden, die dann eben doch nicht so nobel ist. Flucht vor der Realität? Ja klar, wie sollte ich sie denn sonst täglich ertragen?

Manche Kritiker befürchten hier den literarischen Rollback, was durchaus verständlich ist, in meinen Augen aber zu kurz greift. Gelegentlich habe ich eher den Eindruck, dass es sich da um eine Verkehrung dreht. Denn manche deutschsprachige Kritiker proklamieren den „politischen“, den „gesellschaftskritischen“ Krimi, als das Nonplusultra der Gegenwart. Mir ist das zu einseitig. Es gibt gute, wichtige Krimis, die sich mit politischen Themen — von moderner Spionage über Drogenkrieg bis hin zu Terrorgefahr — auseinandersetzen. Das ist gut, wenn es den sprachlich und literarisch gut ist. Allein der Aufpapper „politisch“ reicht mir letztlich nicht als ein Qualitätskriterium bei Literatur. Und „ältere Krimis“ sind da womöglich niedrigschwelliger, denn längst nicht alle „Cozys“ sind apolitisch. Auch so ein verbreiteter Irrtum, sie gehen mit politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Themen, einfach ihrer Entstehungszeit geschuldet, anders um. Das ist spannend.

Das verstehe ich gut. Ein paar Paradebeispiele für dieses Gefühl kamen ja schon zur Sprache, wie Agatha Christie zum Beispiel, oder sicher auch Edmund Crispin. Und mit Phoebe Atwood Taylor lernte ich erst vor kurzem eine Cozy-Autorin kennen, die heute für die lebendig eingewebte Wiedergabe der wirtschaftlichen Situation ihrer Zeit gelobt wird. Eine ganze Reihe der Titel, die gerade wiederentdeckt werden, passt allerdings nicht in dieses Schema. Was könnte bei Autoren wie Macdonald, Booth oder Stark eine Rolle spielen?

Wie wäre es mit: „Lesen und lernen“! Erlaube mir dazu einen Blick auf die deutschsprachigen Blogs, die sich hauptsächlich mit Krimis beschäftigen. Da hat sich in den letzten Jahren viel Gutes getan. Und das Wunderbare daran: Blogger gehen viel entspannter mit ihren Leselücken um. Sie lassen ihre Leserbiographie lebendig werden, gehen mit Enthusiasmus auf Entdeckungsreise durch die „älterer Krimis“ und erweitern so ihren Horizont und damit auch den ihrer Blogleser. Von einem Kritiker wird erwartet, dass er ja irgendwie „alles“ gelesen haben sollte. Was natürlich völliger Unsinn ist, nur als Kritiker darfst Du nicht sagen, dass Du jene „klassische“ Autorin, jenen „stilprägenden“ Autoren noch nicht kennst. Blogger haben damit weniger Probleme und erlesen sich ihr Wissen, für alle öffentlich. Was dazu führt, dass sich Blogger mit den Wurzeln ihres Lieblingsgenres auseinandersetzen und dies auch zeigen.

Meine dritte These ist schlicht Übersättigung. Wer will ernsthaft den hundertsten Serienkiller-Psycho-Blutorgien-Krimi-Klon lesen? Manche Leser ermüden angesichts all der missbrauchten Kinder, der abgehakten Arme und den wirren Psychopathen, die nach der Weltherrschaft greifen. Ältere Krimis, so sie denn etwas zu sagen haben, könnten da ein gewisses Ventil sein. Nicht im Sinne einer Retro- oder Nostalgie-Welle, sondern auch, um zu schauen, wo kommt das eigentlich alles her?

So, jetzt kommt ein böses Wort, mag keiner hören: Kreativitätskrise. Doch schauen wir mal auf die Veröffentlichungszahlen, die sich Jahr für Jahr steigern. Immer mehr Krimis in immer schnellerer Schlagzahl. Neben der eher nebensächlichen Frage, wer das alles lesen soll, stellt sich mir die Frage, ob das alles immer so wundervoll neu, bahnbrechend, einzigartig sein kann? Überschätzen wir uns da nicht ein wenig? Können jedes Jahr, sagen wir mal, hundert neue Meisterwerke geschrieben werden? Führt das nicht auch zu Ermüdungserscheinungen?

Warum nicht zurückgreifen auf ältere Krimis, die ja, sofern sie einen Stempel „Klassiker“ tragen, eine gewisse Zuverlässigkeit erhoffen lassen. Die kann ich als Leser ja auch mal überprüfen, nachlesen, ob das Prädikat „Klassiker“ heute immer noch gilt. Und wie haben die alten Haudegen es denn damals gemacht? Wie konnte zum Beispiel ein Georges Simenon so viele Romane schreiben? Das sind interessante Fragen, die ich mir als Leser bei meiner Krimilektüre stellen kann.

Dass nicht nur die Leser, sondern auch die Verlage auf eine gewisse Wertigkeit setzen, kann ich aus meinen Erfahrungen heraus nur bestätigen. Der Diogenes Verlag erklärte mir zu den Neuübersetzungen von Ross Macdonald, dass sie ihn wegen seines sprachlichen Könnens sehr schätzten und was die Parker-Romane von Richard Stark betrifft, so würdigt auch der Zsolnay Verlag explizit den literarischen Anspruch der Serie, die zu den Sternstunden im hard-boiled und crime noir Genre zähle.
Gerade wenn wir uns im digitalen Raum über Neuauflagen und Neuentdeckungen unterhalten, dann taucht natürlich die Frage nach dem Ebook auf. Viele der genannten Titel sind im Printbereich auf dem Markt, aber dank Ebook hat man heute einen älteren Titel ja vergleichsweise flott wieder auf dem Markt. Was für eine Rolle spielt das Ebook bei der Wiederentdeckung älterer Titel?

Das Ebook ist auf alle Fälle meine fünfte These, Stichwort leichtere Verfügbarkeit. Ja, da ist etwas dran, in Bezug auf die Ebooks. Viele alte Titel kannst Du mittlerweile sogar kostenlos im Internet bekommen, für andere zahlst Du einen kleinen Obolus, andere erwirbst Du zu regulären Ebook-Preisen. Nur: Du musst nicht mehr durch die Antiquariate laufen, um sogenanntes „Altpapier, bedruckt“ zu finden. Und selbst bei den älteren Printausgaben kannst Du dank Internet schneller zu Deinen alten Krimis kommen. Auch das dürfte einen gewissen Ausschlag für die Entdeckung älterer Titel geben.

In dieser Hinsicht fiel mir allerdings immer wieder auf, dass das reine Einlesen in Ebook-Formate oftmals nicht so gut im Anschluss lektoriert wird — während die Printausgaben sauber gesetzt und korrigiert sind (und Ebooks, die daraus hervorgehen, das infolgedessen natürlich auch sind). Es steht also eine Kultur der Neuentdeckung der reinen Verfügbarmachung älterer Texte gegenüber.

Ja, diese Wahrnehmung habe ich auch. Generalisieren möchte ich das nicht, es gibt auch ordentlich lektorierte, durchgesehene Auflagen von Ebooks älterer Krimis. Und manche elektronischen Texte sind oft auch nur eingescannt und lieblos umformatiert worden. Hier sollte man als Leser achtsam sein und sich nicht jedes Buch unterjubeln lassen, vor allem, wenn man dafür bezahlt. Bei den kostenlosen, gemeinnützigen Werken kann man manchmal aus verschiedenen Ausgaben auswählen. Da muss man einfach etwas genauer hinschauen.

Welchen Klassikern oder älteren Titeln wünschst Du eine Neuentdeckung?

Puh, schwierige Frage, weil es einfach so viele sind. Ich selbst würde mir viel eher eine stärkere Übersetzung von fremdsprachigen, älteren Titel ins Deutsche wünschen, die hier noch nicht in Erscheinung getreten waren. Da gibt es — denke ich — für die Verlage noch einiges zu tun.

Macht es für Dich einen Unterschied, ob Du auf Neuübersetzungen zugreifst oder schlicht Neuauflagen (sofern Du nicht im Original liest)? Werden die Neuauflagen glaubwürdiger, besser, im Ton angemessener?

Bei den englischsprachigen Titeln lese ich, auch dank der Ebook-Reader, ziemlich viel im Original, was mir eine gewisse Freiheit bei der Titelwahl beschert. Bei anderen Sprachen greife ich auf die Übersetzung zurück und Übersetzung ist ein heikles Thema. Können Übersetzungen wirklich „veralten“? Sind zeitnahe Übersetzungen womöglich näher dran am Original? Das sind schwierige Fragen, auf die ich keine klare Antwort geben kann, weil es auch immer mit der Arbeitsweise des Übersetzers zu tun hat. Hält er sich an jedes Wort, überträgt er freier, sinngemäßer?

Eine Einschränkung gibt es da allerdings, die ich unbedingt beachte: Nämlich wenn bei einer älteren Übersetzung gekürzt wurde. Das ist zum Beispiel den Dave-Brandstetter-Romanen von Joseph Hansen passiert, die einen schwulen Versicherungsdetektiv als Serienheld haben. Als die ersten Romane in den 1980er Jahren auf Deutsch erschienen, fehlten Szenen mit küssenden Männern. Die Neuausgabe beim Argument-Verlag hat das zum Glück bereinigt. Kurz: Verstümmelte Übersetzungen mag ich überhaupt nicht, vor allem nicht, wenn dies nicht ersichtlich ist.

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Foto: archive.org

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