James Buckler – Endstation Tokio

von Bettina Schnerr
2 Minuten Lesezeit
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Manchmal trifft man auf Bücher, denen man relativ schnell anmerkt, dass sie nur eine kurze Begleitung auf dem Lesesofa sein werden. „Endstation Tokio“ ist genau so eines. Der Klappentext trumpft sehr dick auf und so hängt eben gelegentlich ein motivierter Verlagstexter eine Latte viel zu hoch auf. Alex Malloy flüchtet also aus London, um eine große Tragödie hinter sich zu lassen. Dort trifft er die „rätselhafte“ Naoko, die allerdings auch eine versteckte Geschichte mit sich herumschleppt. Angekündigt werden eine „unheilvolle Verbindung“ und Ereignisse, die außer Kontrolle geraten.

Von allem also ein bisschen: Der Ausländer, der als Englischlehrer arbeitet. Ein Land, das große Sprachbarrieren bietet und ebensoviele Rätsel über seine Gepflogenheiten. Eine Liebe, die auf die Probe gestellt wird. Ein alter Freund aus London, der in seiner japanischen Heimat anders und merkwürdig auftritt. Ein Alex, dem die Selbstsicherheit abhanden gekommen ist und dem die Abgrenzung schwer fällt. Eine Konfrontation mit dem japanischen Justizsystem, das völlig anderen Regeln gehorcht als gewohnt. Eine Gesellschaft und Arbeitswelt voller Ellenbogen und Sexismus und einem konstanten Misstrauen Ausländern gegenüber. Und dann eben die Kontrolle, die Alex an so vielen Stellen zu entgleiten scheint.

Noir-Thriller-Sammelsurium

„Endstation Tokio“ erinnert mich mit Alex Malloy an eine unglückliche Simenon-Gestalt, die vor Jahren einen „Zug aus Venedig“ bestiegen hatte. Durch Unsicherheit und Geschwätzigkeit verstrickte sich jener Reisende in einen Kriminalfall, aus dem er danach alleine abbiegen wollte – nur, um sich Schritt für Schritt weiter ins Unglück zu reiten.

So einer ist auch Alex. Die Londoner Tragödie (sehr unglückliche Familiengeschichte) raubt ihm zwar nicht den Mut, in einem völlig fremden Land unterzutauchen. Aber sie nimmt ihm offenbar jeden gesunden Menschenverstand. Der hilft, zugegeben, einem Ausländer im japanischen Justizsystem nicht unbedingt weiter. Aber im Umgang mit einigen speziellen Gefängnisinsassen wäre er hilfreich gewesen. Und so kommt es, wie es kommen muss, alles wird Schritt für Schritt schlimmer.

Nun ist er wieder draußen, hat -für Naoko sofort klar- die Yakuza am Hals, immer noch diesem unangenehmen Freund aus London, und Naoko steht nach der Polizeiintervention wegen Alex an ihrem Arbeitsplatz das Wasser bis zum Hals.

Unter dem Tipp-Radar

James Buckler - Endstation Tokio

Ich kann Bucklers Themen nachvollziehen. Er hat selbst in Tokyo gelebt und diese Kombination aus Sprachbarrieren und mangelndem Einblick in das Funktionieren der japanischen Gesellschaft können einem bisweilen Sorgen bereiten. Ich erinnere mich an einen Text, in dem ein Ausländer seine Stunden im Koban schilderte (kleine Polizeiwachen, die in jedem Wohnviertel existieren), nachdem die Polizei meinte, er sei auf einem geklauten Fahrrad unterwegs gewesen. Wie viel mehr Angst hat man also vor schlimmeren Anschuldigungen, die man nicht versteht und wenn man weiß, dass anwaltliche Unterstützung einen ganz anderen Stellenwert hat als in Europa?

Wenn Autoren mit Büchern Ängste verarbeiten können, dass ist das Buckler sicher gelungen. Der Roman ist noir durch und durch. Aber das Buch ist auf eine Art überladen, dass weder die Rasanz da ist (siehe Bullet Train), noch Spannung (siehe Japantown), noch Rätsel (siehe Ich habe ihn getötet) oder Knappheit (siehe Der Revolver). Man kann „Endstation Tokio“ lesen, muss aber nicht.

Bibliografische Angaben

Verlag: Goldmann
ISBN: 978-3-442-31471-3
Originaltitel: Last Stop Tokyo
Erstveröffentlichung: 2017
Deutsche Erstveröffentlichung: 2018
Übersetzung: Rainer Schmidt

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