Japan in Farbe: Igort

von Bettina Schnerr
3 Minuten Lesezeit
Japan in Farbe: Igort / Titelfoto zum Beitrag unter Verwendung eines Ausschnitts vom folgendfen Buchcover: "Berichte aus Japan. Eine Reise ins Reich der Zeichen"

Japan liegt nicht gerade um Ecke. So ziemlich die beste Möglichkeit, das Land zu erkunden, dürften Bücher sein. Für mich spielt Belletristik dabei ganz sicher eine große Rolle. Aber nicht nur!

Ich liebe geradezu eine spezielle Form der Reisereportage: Zeichnungen! Im Blog stelle ich bereits Shinji Tsuchimochi vor, der mit 100 views of Tokyo auf den Spuren der großen Ukio-e-Künstler wandelt und die Technik für sich in die Moderne übersetzt hat. Außerdem schwärmte ich schon für Florent Chavouet und Tokyo on foot. Der zog mit Buntstiften durch die Stadt und zeichnete ein Reisetagebuch.

Heute stelle ich euch in der kleinen Serie „Japan in Farbe“ den Italiener Igort vor. Hinter dem Künstlernamen steckt Igor Tuveri, der in den 1990ern als einer der ersten westlichen Zeichner für einen japanischen Verlag arbeiten durfte.

Berichte aus Japan

Die Japanerinnerungen gibt es in zwei Bänden mit dem Titel „Berichte aus Japan“. Der erste Band trägt den Untertitel „Eine Reise ins Reich der Zeiten“, der zweite „Ein Zeichner auf Wanderschaft“.

Der erste Band erzählt vom ersten Aufenthalt in Tokyo ab dem Jahr 1991, als Igort einen Vertrag mit dem größten Verlagshaus Japans in der Tasche hatte. Er startet mit Szenen aus seinem Alltag und berichtet von Busfahrten oder dem Tofuverkäufer, der regelmäßig mit seinem Fahhrad im Viertel entlang kam. Er erzählt vom Zen-Dojo und seinem winzigen Zimmer. Doch das ist noch nicht das Charakteristische.

Igort mischt zudem Szenen aus seinem Berufsleben unter. Er skizziert die Arbeitsweise und einige Projekte, die er betreuen durfte. Recht früh traf er zum Beispiel Jiro Taniguchi, mit dem er im Anschluss ein Leben lang befreundet blieb. Dazu kommen historische Geschichten, die ihn beeinflusst haben. Hier wird es spannender. Die erzählt er teilweise nach und für jede dieser Geschichten, die im Buch eingestreut sind, benutzt er einen anderen Zeichenstil. Auf diese Weise gestaltet sich das Buch stilistisch reich und vielfältig.

Igort, das Zeichenchamäleon

Igort spart auch Schattenseiten nicht aus, wie zum Beispiel die Burakumin. Das ist eine Kaste der Unberührbaren, die es in Japan offizell bis Ende 19. Jahrhunderts gab. Igort zeigt eine Mischung aus Zeichnungen und alten Fotos und erinnert daran, dass der alte Rassismus still und heimlich fortlebt. Spezialisierte Agenturen helfen Firmen bis heute, allfällige Burakumin-Vorfahren eines Bewerbers als negatives „Einstellungskriterium“ aufzustöbern.

Dass Igort so viele Aspekte aufgreift und noch dazu in so vielen Stilen (fast wie eine Bewerbungsmappe), ist zwar interessant. Aber in dieser Masse recht unstrukturiert. Wer bis anhin wenig über Japan weiß, sollte ein anderes, fokussierteres Buch wählen.

Ein Zeichner auf Wanderschaft

Eine Japanreise im Jahr 2015 nutzte Igort, um sich als eine Art moderner Matsuo Basho durch das Land zu bewegen. Dieser Dichter des 17. Jahrhunderts war über viele Jahre seines Lebens im Land unterwegs. Auch in diesem Band kombiniert Igort eigene Erlebnisse mit historischen Szenen. Er mischt dieses Mal viele Textseiten unter und noch mehr Fotos. Und wenn ich über Band 1 schrieb, es sei etwas unstrukturiert, gilt das für Band 2 ganz sicher ebenso. Der Band ergibt dann einen Sinn, wenn man sich schon ein bisschen eingelesen hat. Ansonsten verliert man möglicherweise den Überblick. Igort kann zum Beispiel sehr schöne Theatermasken malen. Nur was haben sie ohne Zusammenhang irgendwo zwischen Kapitelanfang und den Seiten über den Schriftsteller Yasunari Kawabata zu suchen?

Mein Fazit: Die Bücher von Igort sind wunderbar gezeichnet und gemalt. Der Italiener überzeugt durch die Vielfalt an Stilen, die er passend einzusetzen weiß. Aus dieser Perspektive wunderbare Arbeiten. Durch die allzu lose Abfolge verschiedener Episoden aber empfehle ich seine Bücher nur Japan-Enthusiasten, die sich ohne großes, andauerndes Wundern oder Nachschlagen in den Seiten bewegen können.

Bibliografische Angaben

Berichte aus Japan 1 – Eine Reise ins Reich der Zeichen
ISBN 978-3-95640-075-9
Erstveröffentlichung: 2015
Originaltitel: Quaderni Giapponesi. Un viaggio nell’impero dei segni
Deutsche Erstveröffentlichung: 2016
Leseprobe

Berichte aus Japan 2 – Ein Zeichner auf Wanderschaft
ISBN 978-3-95640-164-0
Erstveröffentlichung: 2017
Originaltitel: Quaderni Giapponesi. Il vagabondo del Manga
Deutsche Erstveröffentlichung: 2018
Leseprobe

Verlag: Reprodukt
Übersetzung: Myriam Alfano
Handlettering: Michael Hau

In der nächsten Folge „Japan in Farbe“:
Mateusz Urbanowicz


Titelbild: Ausschnitt aus dem Buchcover von Band 1

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