Fuyuko Irië, freiberufliche Korrekturleserin aus Nagano, Anfang Dreißig. In Tokyo lebend, alleinstehend und jedes Jahr an ihrem Geburtstag unterwegs auf einem Nachtspaziergang.
„Das war alles. Mehr gab es zu mir nicht zu sagen.“
Fuyuko ist eine Frau, die in ihrer Arbeit aufgeht. Ein Privatleben hat sie tatsächlich keines, was sie in den Augen ihrer Verlagskollegen suspekt und zum Ziel einigen Spotts macht. So kündigt sie und macht sich als Selbständige an die langatmige, aber geliebte Korrektur der Druckfahnen. Sie recherchiert Schriftzeichen, kontrolliert Abläufe und überprüft in der Bibliothek die Plausibilität der Texte. Ihr zur Seite steht als Kontakt die lebhafte Hijiri, in jeder Hinsicht das absolute Gegenteil von Fuyuko.
Dieser berufliche Kontakt sorgt dafür, dass sich Fuyuko nach vielen Jahren plötzlich Gedanken über ihr Leben macht. Kann das denn alles gewesen sein?
Doch die Orientierung gerät schwieriger als gedacht. Sie beginnt Alkohol zu trinken und verliert das Maß. Der Versuch, sich in einem Kulturzentrum anzumelden, beschert ihr allerdings die Bekanntschaft mit Herrn Mitsutsuka. Er stellt sich als Physiklehrer vor, und die beiden beginnen bald, sich regelmäßig in einem Café zu treffen und sich über alles mögliche auszutauschen.
Mieko Kawakami hat ein unglaublich stilles Buch geschrieben. Mit einer Heldin, die nur behutsam wahrnehmbar ihre Heldenreise unternimmt. Die Begegnung mit dem Lehrer bewahrt Fuyuko davor, ganz die Orientierung zu verlieren. Die Treffen werden eine angenehme Konstante in ihrem Leben – ein Motiv, das ich auch in „Ich nannte ihn Krawatte“ gesehen habe: Zwei Fremde, die sich gerade wegen ihrer Distanz austauschen können. Zwei Einsame, denen der Zufall einen passenden Gesprächspartner zuspielt.
Doch während diese Begegnungen auf gegenseitigem Respekt gründen, nutzen andere die Unentschiedenheit Fuyukos zu ihren Gunsten aus. Eine ehemalige Schulkameradin zum Beispiel schüttet ihr das Herz aus und verkündet unverblümt, das könne sie nur, weil Fuyuko in ihrem Leben keine Bedeutung habe. Die Korrektorin scheint den Hieb nicht einmal zu spüren.
Hijiri ist auf ihre Art die zweite Stütze für Fuyuko. So gegensätzlich die beiden sind, so spürt die junge Frau doch, dass ihre Auftraggeberin nicht nur Entscheidungen trifft, sondern auch gelernt hat, Erfolge mitzunehmen und Fehler zu verschmerzen. Und auch das ist eine Erkenntnis, die Kawakami ihren Liebenden der Nacht mitgibt: Die anderen mögen auf die Farblosen herabschauen, aber besser geht es ihnen meist dennoch nicht. Es ist Okay, unauffällig zu sein, wenn man sich damit wohlfühlt.
Bibliografische Angaben
Verlag: Dumont
ISBN: 978-3-8321-8229-8
Originaltitel: Subete mayonaka no koibitotachi (すべて真夜中の恋人たち)
Erstveröffentlichung: 2011
Deutsche Erstveröffentlichung: 2023
Übersetzung: Katja Busson
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… demnächst auf dem Blog
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