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Der Herbst der alten Schätze II

Der Herbst der alten Schätze II

Ross Macdonald - Der blaue Hammer

Wie bereits im letzten Jahr nutze ich auch heuer wieder die Zeit dafür, alte Krimis zu entdecken. Im Regal bei mir finden sich vom Krimiklassiker bis hin zu eher vergessenen Titeln einige gut abgehangene Werke, die ich aus dem Dornröschenschlaf holen will. Die Regeln bleiben identisch: Keines der Bücher darf jünger sein als 40 Jahre; da landen wir also bei einem Veröffentlichungsjahr von 1976 und älter.

Die Titel

Den Anfang macht Robert Robinson. Ähnlich wie bei Phoebe Atwood Taylor im letzten Jahr hatte ich die Hoffnung, das Werk als Ebook zu finden und sagen zu können: Schaut her, das hat sich faltenfrei gehalten! Immerhin war es Teil der DuMont’s Kriminal-Bibliothek, zwischen 1986 und 2004 von Volker Neuhaus konzipiert und herausgegeben. Aber wie schon zuvor schaffte es auch dieser Titel nicht in die Ebook-Garde. Robinson, verstorben 2011, bleibt den Briten vermutlich am stärksten als aufsässiger Radio- und TV-Moderator in Erinnerung.

Während sein erster Job bei einer Zeitung unter anderem darin bestand, Leserbriefe zu erfinden, war er als TV-Moderator Gastgeber bei der denkwürdigen Sendung, als ein Gast erstmals das f-Wort über den Äther schickte. Im Radio gab er bereits in den Siebzigern eine englische Fassung von Günther Jauch, im Fernsehen präsentierte er die Büchersendungen The Book Programme und The Book Game … und viele, viele Sendungen mehr. So viele, dass er im Prinzip als Radio-Legende gilt. Bücher schrieb er nur ein paar und „Die toten Professoren“ war der einzige Krimi. Dafür aber ein sehr erfolgreicher, der 1956 eine Hauptrezension in der New York Times abräumte.

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Ob das Buch von Ross Macdonald noch zu bekommen ist? Selbstverständlich! In diesem Fall ein Glück, denn der Diogenes Verlag startete 2014 eine Neuübersetzung von Donna Leons Lieblingsautor. Macdonald gilt als fabelhafter Stilist, bei dem auch diejenigen schwach werden, die dem Genre sonst eher abgeneigt sind. Der Kritiker Egbert Hohl bescheinigt ihm intelligente Konstruktionen und verbale Treffsicherheit.

Beim Lesen merkt man das in der Tat schnell, dass Macdonald Menschen und Stimmungen mit wenigen Sätzen charakterisieren kann. Dabei verdankt dieser Autor seine Karriere eigentlich einem Zufall. Seine Frau, die Schriftstellerin Margaret Millar, verdiente irgendwann einiges mehr als der Dozent Kenneth Millar. Also wurde aus dem Universitätsangestellten Millar bald der Schriftsteller Ross Macdonald, der von Kalifornien aus die amerikanische Gesellschaft skizzierte und seinen Privatdetektiv Lew Archer für jede Ermittlung tief in der Vergangenheit seiner Protagonisten graben ließ. Aus einigen Büchern wurden später auch Filme, darunter „Familiengeheimnisse“ (nach dem Buch Underground Man) und „Unter Wasser stirbt man nicht“ (The drowning pool).

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Das dritte Buch von Carlo Manzoni firmiert im Untertitel zwar als „Super-Thriller“, aber zu bekommen ist es trotzdem nicht mehr. Nach „meiner“ Ausgabe von 1971 gab es nochmal eine Großdruck-Version 2008 und seither kennt in Deutschland keiner mehr den Italiener. Obwohl er genau mit einer Serie solcher Super-Thriller im Ausland bekannt geworden war. Manzoni hatte in Italien sicher einen Namen als Tausendsassa: Zunächst Medizin studiert, dann die Studien mit Architektur und Malerei fortgesetzt, als Maler bekannt geworden. Dann kam das Schreiben mit 27, Satiren und Humor für Zeitungen und Zeitschriften, später der Sprung zum TV- und Theaterautor.

Die Super-Thriller sind eine Parodie des Genres, nach Herzenslust übertrieben. Die beiden Hauptpersonen sind Chico und Gregorio, von denen einer ein Hund ist. Ob er wohl auch ermittelt und wenn ja, wie? Wir werden sehen. Ich erinnere mich dumpf, dass ich als junges Mädchen mit Manzonis Figur Signor Venerada konfrontiert wurde, also mit einem Witz, der mich als Kind ganz neben der Spur erwischt hatte. Das Buch verschwand seinerzeit ganz schnell irgendwo. Jahrzehnte später ist das für einen neuen Anlauf professionell überwunden.

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Mein vierter Krimi stammt von Jim Thompson und dürfte bekannt vorkommen: Getaway. Die Verfilmung von 1972 mit Steve McQueen und Ali MacGraw ist das, was vom Roman im Hinterkopf klingelt. Dabei soll der Film nur die erste Hälfte des Buches erzählen. Wer nachlesen will, was Thompson zusätzlich untergebracht hat, bekommt den Titel im englischen Original und auch als Ebook. Vielleicht besteht ja Hoffnung auf eine deutsche Wiederauflage, denn bei Heyne Hardcore erschienen bereits einige andere Titel des Amerikaners.

Thompson, geboren 1906, kam früh auf die schiefe Bahn als Alkoholschmuggler während der Prohibition. Nachdem er einen Abschluss an der Universität geschafft hatte, begann er mit der Veröffentlichung von True Crime Stories. Später erst, ab 1942, folgten die Romane. Dabei waren Kindheit und Erwachsenenleben geprägt von Alkohol, Gelegenheitsjobs, miserabler Bezahlung und Gesetzeskonflikten. Eine Zeit, die ihn sehr geprägt hat — in seinen Geschichten spiegelt sich die Verzweiflung und es gibt es nur Verlierer. Zeitlebens war er in der Literaturszene eher ein Geheimtipp und es heißt, seine Bücher seien immer unter Wert verkauft worden. Berühmt wurde er erst, als eine Auswahl seiner Romane verfilmt wurde; davon bekam er vor seinem Tod aber nur zwei Umsetzungen mit. Thompson selbst starb verarmt und ohne jegliche Anerkennung.

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Bei Arthur Upfield sieht das schon wieder anders aus, und zwar in vielerlei Hinsicht. Es gibt die englischen Ebooks (mit eher komischen Covern), aber übersetzte Fassungen findet man nur antiquarisch, ohne Hoffnung auf Neuauflage. Der Brite Upfield kam mit etwa 20 nach Australien und blieb nach dem Ersten Weltkrieg dort. Er entwickelte die Idee zu seinen Krimis vor Ort und machte den Fährtenleser Leon, den er dort kennengelernt hatte, zur Hauptperson.

Sehr bekannt wurde seine zweite Bony-Geschichte „The Sands of Windee“, weil ein echter Mörder genau dieselbe Methode anwandte, die Upfield zuvor an einem Lagerfeuer mit einigen Männern und eben auch dem Mörder zurecht gelegt hatte. Dumm gelaufen, dass es so viele Zeugen gab und auch Upfield selbst musste seinerzeit in den Zeugenstand. Upfields Buch über diesen Vorfall wurde Jahre später in den USA als Raubkopie verkauft und Sammler zahlen heute angeblich dreistellige Summen, um an eines der wenigen Exemplare zu kommen. Er war übrigens der erste Nicht-Amerikaner, der zur Mystery Writers Guild of America zugelassen worden war.

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Foto: Matthias Heil (unsplash)

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