Die rote Sonne hat mehr Geschwister

von Bettina Schnerr
7 Minuten Lesezeit
Header zu: Die rote Sonne hat mehr Geschwister. Über die Cover bei japanischer Literatur. Foto: Jeremy Bezanger, unsplash

Gute Covergestaltung ist eine Kunst für sich. Ist sie durchdacht umgesetzt, vereint sie mehrere Elemente. Sie gewährt einen Einblick in die Story, funktioniert als Marketingdetail und spricht vom Designstil her hoffentlich auch die richtige Zielgruppe an. Das gerät gerne mal zu abstrus einheitlichen Motivserien. Also gucken Frauen aufs Meer und Schmetterlinge bedeuten höchste Gefahr.

Bei japanischer Literatur ist die Vielfalt der Covergestaltung nicht minder breit und reicht von abstrakten Strukturen über Bildausschnitte aus historisches Motiven bis hin zu gezielt auf das Buch bezogenen Eigenwerken. Aber das Land bietet nun mal ausreichend Möglichkeiten, auch hier der Einfachheit halber auf Klischeemotive auszuweichen. Dann landet man bei Kranichen, Kirschblüten oder dem Symbol der roten Sonne. Davon gab es vor einigen Jahren eine auffällige Häufung. Grund genug, die Cover der letzten Jahre nochmals auf ihre Sonnenquote abzuklopfen.

Verständlicherweise sind die Sonnen nicht aus dem Sortiment verschwunden. Je nach Farbe oder Gestaltung kann so ein Kreis-Cover auch durch den kalligrafierten Enso inspiriert sein. Es wird sicher einige Motive dieser Art geben. Ob man eine Sonne oder einen Enso erkennt, liegt dann einfach nur daran, wie geläufig dem Betrachtenden diese Figur ist.

Die Sonne geht auf

Ein paar Bücher gibt es immer, die das Klischee ausgzeichnet abholen. Mit dazu gehört Lena Schnabls Titelbild, das mit den Tempeln ganz sicher zum Buch passt. Mit Kirschblüten und Sonne angelt es aber ganz ordentlich in der klassischen Musterkiste. Zum Rest muss ich gar nicht viel sagen, denn so viel Sonne lässt sich kaum übersehen.

Geschickte Verwandlung

Die Kreise kehren auch auf anderen Motiven wieder, sind in ihrer Gestaltung aber so gut variiert, dass ihre grundlegende Inspiration offen bleibt. Ist es die Sonne, der Enso oder einfach eine hinterlegte Form, auf der Schriften besser lesbar werden? Was die Cover für mich als „typisch“ klassifiziert, ist vor allem bei Muratas Ladenhüterin, Yokomizo oder Natsukawa der Kreis kombiniert mit der Farbauswahl, die bei Japan gerne auf rot, schwarz und weiß setzt.

Das Kochbuch spielt vor allem mit Fächern und zitiert damit nach Kranichen und Kirschblüten ein weiteres Klischee, während Das Seidenraupenzimmer auch als „Fortsetzung“ des ersten Murata-Titels verstanden werden kann. Für Emi Yagi wurde das Formenspiel farblich so raffiniert verändert, dass man die Grundform wohl nur dann als potenziell sonnig wahrnimmt, wenn man regelmäßig mit Covern japanischer Literatur zu tun hat.

Klischee wird Wiedererkennungszeichen

Als die Serie um Inspektor Takeda entwickelt wurde, war das Cover für meine Begriffe noch ziemlich deutlich eine Anspielung auf die rote Sonne, um den in Hamburg wirkenden Ermittler mit seiner Heimat zu verknüpfen. Inzwischen hat Takeda so einige Fälle erfolgreich gelöst. Aus dem einst japanroten Kringel wurde dank einer einheitlichen Layoutarbeit ein Wiedererkennungszeichen.

Ganz ähnlich funktioniert übrigens auch das Cover von Seichi Yokomizo, wenngleich aktuell nur in den englischen Übersetzungen. Der Verlag Blumenbar hat für seine Ausgabe von „Die rätselhaften Honjin-Morde“ diese Gestatung übernommen. Der Kreis wird auch in dieser Ausgabenserie zum wiederkehrenden Element, in dem sich Messer, Tote und Prisen von Gift wiederfinden.

Schlüsselfrage: Wird ich in einigen Jahren ein weiterer Blick auf die Cover japanischer Literatur lohnen? Ich wette: Ja.

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Foto: Jeremy Bezanger, unsplash

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